Natalie Portman: „Oz ist ein ganz großer Held“

Actress Natalie Portman arrives on the red carpet for the film 'Planetarium' during the 41st Toronto International Film Festival (TIFF), in Toronto
Actress Natalie Portman arrives on the red carpet for the film 'Planetarium' during the 41st Toronto International Film Festival (TIFF), in TorontoREUTERS
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Bei der Verfilmung von Amos Oz' „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ führte Oscar-Preisträgerin Natalie Portman erstmals bei einem Kinofilm Regie.

Bereits als 13-Jährige eroberte Natalie Portman in „Léon – Der Profi“ die Herzen der Kinogänger und Kritiker, seither gehört sie zu den erfolgreichsten Schauspielerinnen ihrer Generation. Immer wieder gelingt der in Israel geborenen Amerikanerin der Spagat zwischen Blockbustern wie „Star Wars“ und anspruchsvollem Kino von Regisseuren wie Mike Nichols („Hautnah“) oder Wong Kar-Wai („My Blueberry Nights“). Für Darren Aronofskys „Black Swan“ wurde sie 2011 mit dem Oscar ausgezeichnet. Bevor sie diesen Winter als Präsidentenwitwe in „Jackie“ erneut ins Oscar-Rennen geht, präsentiert Portman mit der Amos-Oz-Verfilmung „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ nun ihr Regiedebüt.

Miss Portman, nach über 20 Jahren als Schauspielerin haben Sie mit „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ erstmals einen Spielfilm inszeniert. Warum haben Sie sich dafür gerade diesen autobiografischen Roman von Amos Oz ausgesucht?

Natalie Portman: Weil ich einfach besessen bin von diesem Buch. Das erste Mal gelesen habe ich es vor etwa neun Jahren und es für immer in mein Herz geschlossen. Die Art und Weise, wie Oz von Sprache erzählt, konkret von der hebräischen Sprache, ist unfassbar poetisch und enorm visuell. Gleichzeitig faszinierte mich, je mehr ich mich mit der Geschichte auseinandersetzte, aber auch die Mutter-Sohn-Dynamik.

Fassten Sie schon damals den Entschluss, bei einer Verfilmung Regie zu führen?

Ich wusste gleich, dass ich diese Geschichte als Film auf die Leinwand bringen wollte. Ich traf mich mit ein paar Drehbuchautoren, aber je mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr reifte die Idee in mir, dass ich sie selbst adaptieren könnte. Und während ich das tat, entstand nach und nach der Gedanke, dass dies nach meinen Kurzfilmen vielleicht die beste Gelegenheit sein könnte, meinen ersten langen Film zu inszenieren. Dass Amos Oz so großzügig war, mir die Gelegenheit dazu zu geben, macht mich sehr dankbar.

Was bedeutet Ihnen Oz?

Er ist einer meiner ganz großen Helden, keine Frage. Schon allein weil er einer der Mitbegründer von Schalom Achschaw ist, der außerparlamentarischen Friedensbewegung in Israel. Leute wie er sind so wichtig, gerade in Zeiten wie diesen. Aber ganz abgesehen davon ist er natürlich als Schriftsteller einer der ganz, ganz großen. Allein „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ hat schließlich Tolstoi'sche Ausmaße.

Was ja für ein Regiedebüt auch einigermaßen Respekt einflößend sein kann, oder?

Selbstverständlich, ich hatte richtig Bammel vor dieser Aufgabe. Aber gleichzeitig gibt es natürlich kein größeres Geschenk, als aus diesem Quellenmaterial schöpfen zu können.

Sie haben nicht nur die Regie, sondern auch die Hauptrolle übernommen. War es schwierig, sich selbst zu inszenieren?

Ursprünglich hatte ich es gar nicht vor. Ich wollte eine andere Schauspielerin für die Rolle finden, aber letztlich bin ich ganz froh, dass ich sie doch selbst übernommen habe. Zum einen ist es ein Vorteil, dass man als Regisseur schon mal einer Person weniger erklären muss, was man will. Aber zum anderen fand ich es interessanterweise auch hilfreich in der Arbeit mit den anderen Schauspielern. Dadurch, dass ich selbst mit ihnen vor der Kamera stand, hatte ich unmittelbaren Zugriff auf sie, um es mal so auszudrücken.

Die Arbeit mit den Schauspielern war aber sicher beim Inszenieren nicht die größte Herausforderung, oder?

Nein, denn natürlich war mir dieser Aspekt der vertrauteste. Am ungewohntesten waren sicherlich die Vorbereitungsphase und später die Postproduktion. Einfach weil das völliges Neuland war. Die Arbeit im Schneideraum zum Beispiel fand ich enorm spannend, denn da habe ich noch viel intensiver als bei den Kurzfilmen in der Praxis erlebt, wie ein Film sich verändert, nur indem man Kleinigkeiten anders zusammensetzt.

Gab es Aspekte an der Regiearbeit, die Sie überrascht haben?

Am meisten vermutlich der Umgang mit Filmmusik. Anfangs hatte ich ein ziemlich klares Bild davon, welche Musik ich für den Film wollte. Doch das, was ich gefühlsmäßig im Kopf hatte, drückte musikalisch das Gleiche aus, was ich auch in meinen Bildern transportiere – und als wir das zusammenfügten, merkte ich, dass das viel zu viel des Guten war. Dass ich da vom Instinkt her so falsch gelegen war, hat mich richtig erschreckt. Es war mein Glück, einen so tollen Komponisten wie Nick Britell an meiner Seite zu haben.

Sie haben in Ihrer Karriere mit zahlreichen der größten Regisseure unserer Zeit gearbeitet, von Terrence Malick über Michael Mann, von Wes Anderson bis Kenneth Branagh. Bei wem haben Sie sich die größte Scheibe abgeschnitten?

Puh, da kann ich nicht einen Einzelnen hervorheben. Mehr als einmal dachte ich beim Dreh zu „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“, dass ich wirklich überfordert wäre als Regiedebütantin, wenn ich nicht als Schauspielerin schon so oft all diesen Meistern hätte über die Schultern schauen können. Denn natürlich habe ich mir bei vielen von ihnen etwas abgeschaut.

Dann nennen Sie doch mal ein Beispiel.

Nehmen wir Darren Aronofsky. Von dem habe ich gelernt, wie wichtig es ist, dass man sich auf jeden Schauspieler anders einstellt. Man kann nicht mit allen auf die gleiche Weise sprechen, denn einige brauchen Lob und Unterstützung, um Bestleistung abzuliefern, andere reagieren besonders gut auf Kritik. Für die Arbeit mit Terry Malick bin ich so dankbar, weil er mir vor Augen geführt hat, dass es beim Film keine Regel gibt, die man nicht brechen darf. Und Mike Nichols war einfach der Größte, der wie kein anderer verinnerlicht hatte, dass man für keinen Moment und kein Wort die Geschichte seiner Figur aus dem Auge verlieren darf.

Apropos Geschichte der Figur: Würden Sie denn sagen, dass die von Oz beschriebene Zeit der israelischen Staatsgründung auch etwas mit Ihnen persönlich als gebürtiger Israelin zu tun hat?

Selbstverständlich ist seine Geschichte weit weg von meiner eigenen. Ich bin in einer vollkommen anderen Zeit geboren, unter sehr viel leichteren Umständen. Aber trotzdem spüre ich einen starken Bezug dazu. So viele der beschriebenen Erfahrungen kenne ich selbst. Wie es ist, eine Mutter zu sein. Oder auch eine Immigrantin. Und andere in meinem Umfeld teilen noch sehr viel konkretere Erfahrungen mit Oz. Nicht zuletzt deswegen war es mir so wichtig, den Film auf Hebräisch und in Israel zu drehen. Mein Vater ist in Israel geboren, ich bin dort geboren. Nun hatte ich meinen kleinen Sohn dabei, als mein Film dort geboren wurde. Das war etwas sehr Besonderes.

Steckbrief

1981
wurde Natalie Portman als Tochter eines Israelis und einer Amerikanerin in Jerusalem geboren.

1994
wurde sie mit 13 Jahren durch ihre Rolle in Luc Bessons „Léon – Der Profi“ schlagartig bekannt. Es folgten Erfolgsfilme wie „Heat“, „Star Wars“, „Garden State“, „Hautnah“ und „V wie Vendetta“.

2011
bekam sie für ihre Hauptrolle in Darren Aronofskys „Black Swan“ den Oscar und den Golden Globe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2016)

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