Inge Prader: „Aus purer Luscht“ an Osttirol

Inge Prader: „Wie schmeckt Osttirol?“, Brandstätter Verlag, 240 Seiten, 39,90 Euro.
Inge Prader: „Wie schmeckt Osttirol?“, Brandstätter Verlag, 240 Seiten, 39,90 Euro.(c) Brandstätter Verlag
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Fotografin Inge Prader hat ein Coffee-Table-Buch über ihre Heimat Osttirol produziert: von Bollakas, rauen Bergen und schönen Menschen.

„How is my hair?“ fragt Inge Prader, fährt sich durch die kurzen blonden Haare und lacht. Ein Marcus-Schenkenberg-Zitat. Das männliche Supermodel mit seiner eitlen Gestik war eine der größeren Enttäuschungen in Praders Berufsleben. „So eine dumme Nuss.“ Dabei ist Inge Prader als Modefotografin den Tanz um Äußerlichkeiten gewöhnt. Und doch: Immer öfter genießt sie es, anderes vor der Kamera zu haben. So wie jetzt die Menschen, Produkte und Landschaften Osttirols.

Einst wollte sie freilich nur weg aus der Enge des abgeschiedenen Grenzlands, des „kleinen Fuzels“ von Region, in dem die Leute im nächsten Tal schon Fremde waren und wo man über Italien oder Salzburg fahren musste, um in die eigene Landeshauptstadt zu kommen. Sie wollte hinaus in die weite Welt, die sie bis heute genießt. Erst kürzlich war Prader in New York, wo ihre Life-Ball-Bilder mit Conchita Teil einer Klimt-Ausstellung in Ronald Lauders Neuer Galerie waren; wo sie die 95-jährige Stilikone Iris Apfel vor die Kamera bekam.

„Aus purer Luscht“, sagt Prader, habe sie sich vor zwei Jahren also aufgemacht, um sich ihrer Heimat wieder zu nähern. Den Begriff nutzt sie mit bedacht: „Heimat als Wohlfühlort, nicht als ein Ort, an dem niemand anderer leben darf.“ Aus der „puren Luscht“ wurde ein geflügeltes Wort, das nun auch das stabile rote Leseband ziert. Größe, Optik, aber auch Haptik, die „Ausstattung“ mit Leineneinband, Schutzumschlag und geprägten Buchstaben seien wichtige Bedingungen gewesen. Weil sich solche Wertigkeit im Buchhandel nicht rechnet, hat sie selbst Sponsoren aufgetrieben. „Bei denen muss ich mich bedanken, sie stehen alle im Buch.“

Für selbiges ist Prader durch Almküchen und Haubenrestaurants, Ställe, Selchkammern und Stuben gezogen, und durch eine „immer wieder atemberaubende Landschaft“. Sie selbst sei eher in einer Ölwechselgrube aufgewachsen, ihre Eltern hatten eine Tankstelle samt Geschäft für Autozubehör. Viele Türen hat ihr ein alter Jugendfreund geöffnet, der heute Tierarzt ist, der Bauern kennt und mit dem Auto auf die Almen darf, „mit der Kamera hätt ich das sonst nicht geschafft“. So erzählt Prader vom Mohn, der hier gestampft wird und „traumhaft schmeckt, ganz anders als aus dem Geschäft“. Sie zeigt Bühn (Bohnen, die in Prägraten mit dem Bühnholgungl ein eigenes Fest haben), Henkele, luftgetrocknetes Rauchfleisch, „wie Bresaola“, und Bollakas, „völlig aus der Mode gekommene Magermilchkäsekugeln, ein Abfallprodukt der Buttergewinnung“, das von den Jungen gerade wiederentdeckt werde. Die Rezepte stammen aus Familien und Haubenlokalen – durch Letztere hat sich Prader undercover durchgekostet. „Nur, weil einer bekannt ist, muss er ja nicht gut sein.“ Jener Koch, der ein Rezept mit Aromat schickte, er bleibe ungenannt.

Wo Thaddaeus Ropac begann

Ergänzt wird das Werk durch Texte von Osttirolern, die über ihre Heimat schreiben: Leo Baumgartner, Locationscout etwa für James-Bond-Filme, Radiomann Eberhard Forcher oder Andreas Schett von Franui. Jugendfreund und Galerist Thaddaeus Ropac erzählt, „wie alles begann“ – seine Begeisterung für Kunst nämlich. (Mit Karl Prantl, der freiwillige Mitarbeiter brauchte, um an der Isel Steine zu schleifen. „Mit keinem Freiwilligen war Prantl so unzufrieden wie mit mir.“) Andy Holzer, der blinde Bergsteiger, erinnert daran, dass es eine raue Gegend ist, wo man nichts geschenkt bekommt, „und wenn du was geschafft hast, ist es dir der Nachbar schon wieder neidig“. Wobei, das dürfte nicht nur für Osttirol gelten. Dazu gibt es Fotos, von Heumandln, die wie Geister ausschauen, „als Kinder haben wir zum Ärger der Bauern immer mit ihnen gespielt“. Vom Großglockner, „das musste sein“. Und von vielen Gesichtern. „Einmal kein Botox, keine Retusche, keine Schminke“, sagt Prader. „So schön!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2016)

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