Songs zu Geld und Fahrradfahren

Sänger Matthäus Bär im Espresso Burggasse.
Sänger Matthäus Bär im Espresso Burggasse.(c) Voithofer Valerie
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Matthäus Bär macht Musik, die Kindern und Eltern gefällt. Auf seiner jüngsten EP verschwimmen die Grenzen bewusst mehr denn je.

Der Tipp kam vom Popkritik-Kollegen aus der Kinderkarenz: Man könnte doch einmal Matthäus Bär porträtieren, „unsere ganze Family findet ihn toll, vor allem meine Tochter“. Damit ist das, was Matthäus Bär derzeit zur Word-of-Mouth-Empfehlung unter Eltern macht, auch schon auf den Punkt gebracht: Bär macht Musik für Kinder, die auch Erwachsene mögen. Oder umgekehrt.

So ganz klar sind die Grenzen nicht, auch wenn sie das Musikbusiness gerne ziehen und Bär ins Kinderliederregal zu den Schlumpf-Compilations verräumen würde. Bei Musik für Kinder, klagt Bär, gebe es, „leider wenig Qualitätsbewusstsein, ganz anders als bei Kinderliteratur“. Handwerkliche Qualität in der Produktion sei ihm wichtig – allerdings nicht mit didaktischem Anspruch zu verwechseln. Ein Sei-nett-zu-den-anderen-Kindern-am-Spielplatz-Lied“ sei von ihm eher nicht zu erwarten, erklärt Bär bei einem Kaffee im Espresso Burggasse, nachdem er den eigenen Nachwuchs im Kindergarten abgeliefert hat. „Eher schon, dass Fernsehen super ist.“

Dass sein Publikum nicht nur Kindergartenalter hat, ist Bär dabei völlig bewusst: Zumindest im Auto würden ja die Eltern zwangsläufig mithören. „Mein Ziel ist, etwas zu schaffen, das ich mir auch gern anhören würde, ohne physische Schmerzen zu erleiden“, sagt er. „Wobei, beim 140. Mal ist alles grausam.“ In seinen Texten leiht er beiden Seiten seine Stimme. Im „Arbeitslied“ erklärt er aus Elternsicht, warum man zur Arbeit muss, nur um sich selbst zu fragen, warum man nicht stets bei den Kindern bleibe. In „Revolution“ lässt er Kinder gegen Vollkornkost und Holzspielzeug rebellieren.

Kinderlieder im Erwachsenenclub

Anfangs ist Bär damit auf Faschings- und Zeltfesten aufgetreten, hat aber bald bemerkt, „dass das der falsche Rahmen ist. Ich möchte für die Kinder eine Konzerterfahrung, und das funktioniert im Rock'n'Roll-Setting am besten und ist am lustigsten für alle.“ Das erste richtige Konzert gab er im Fluc, „die haben sich gefreut, dass es einmal was anderes gibt, und den ganzen Schuppen geputzt“. Freilich, ganz angeranzt sollte der Club vielleicht nicht sein, gibt Bär zu, „da würde ich mit meinen Kindern auch nicht hingehen“.

Der 27-Jährige, der zuvor „unerfolgreiche Halbstarken-Popmusik im Indiebereich“ gemacht hat, ist Vater einer Ein- und einer bald Sechsjährigen. Die ersten Lieder schrieb er auf Wunsch seiner Freundin für Letztere. Eigentlich habe er das gar nicht gewollt, dann doch getan – und Gefallen daran gefunden. „Fisch und Vogel“ war das erste Lied, „ein unkonkreter Song über eine Frühlingsstimmung“, in der Mütter gern auch Schwangerschaft heraushören. Überhaupt staunt Bär, wie manche Eltern seine Lieder interpretieren. „Fahrradfahren“ sei der sexuellste Song, den sie kennen, habe er da schon gehört. „Aber ich glaube nicht, dass Kinder das damit assoziieren.“

Zum Teil spielt er natürlich bewusst mit zwei verschiedenen Ebenen, manchmal auch einfach nur mit Metaphern, die Kinder verstehen können oder auch nicht (etwa wenn er in „Kohle“ das Geld besingt: „Wir haben keine Mäuse und auch keine Kröten, denn alle Knete geht uns ständig flöten“). Das „Kohle“-Lied reiht sich in jene fünf Lieder, die Bär mit der Band Polkov soeben als EP herausgebracht hat, und die versuchsweise noch stärker in Richtung „erwachsen“ ausschlagen. Der Titel „Nichts für Kinder“ ist dabei aber genauso wenig ernst gemeint wie die „Parental Advisory“-Warnung über „explicit content“ auf dem Cover. „Große Themen“ wie die Schwierigkeit von Freundschaft könne man Kindern jedenfalls zumuten. „Feuer“ etwa ist von einer Übernachtungsparty-Enttäuschung seiner Tochter inspiriert, könne aber genauso vom Freund erzählen, dessen Beziehung an unvereinbaren Freundeskreisen in die Brüche ging.

Auf der Bühne steht Bär, der eigentlich Maier heißt („aber Bär war immer schon mein Spitzname“) dabei lieber mit anderen Musikern als als Alleinunterhalter. „Um zu performen, zu begleiten und die Kinder bei der Stange zu halten, braucht man mehr als zwei Hände.“ In Anzug und goldenen Sneakers fesselt Bär sein Publikum dabei ohne Grimassen oder Kindersprache. „Wie die warmen Semmeln“, hieß es im WUK, seien die Karten für die heutige Release-Show seiner EP weggegangen, weshalb man das Konzert vom Foyer in den großen Saal verlegt habe. Ob man kommen wolle, fragt Bär. „Es beginnt halt schon um halb fünf.“

ZUR PERSON

Matthäus Bär (27) heißt eigentlich Matthäus Maier, wurde in Graz geboren, übersiedelte mit zwölf nach Wien. Er hat Musikwissenschaft mit Fokus Pop studiert, mit The End Band Indie-Pop produziert und zuletzt drei Jahre für die niederösterreichische Landesregierung im Bereich Kulturförderung gearbeitet. Den Job gab er im September („Jetzt oder nie“) zugunsten des Projekts Matthäus Bär auf. Zwei Alben hat er auf seinem eigenen Label bisher herausgebracht. Die EP „Nichts für Kinder“ wird heute um 16.30 Uhr im WUK präsentiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2017)

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