Wotan Wilke Möhring: "Wien ist ja nicht die schnellste Stadt"

Verlässt sich bei der Rollenauswahl auf sein Bauchgefühl und legt Wert darauf, im richtigen Moment „die Schnauze zu halten“: Wotan Wilke Möhring.
Verlässt sich bei der Rollenauswahl auf sein Bauchgefühl und legt Wert darauf, im richtigen Moment „die Schnauze zu halten“: Wotan Wilke Möhring.imago/Independent Photo Agency
  • Drucken

Der deutsche Schauspieler Wotan Wilke Möhring spricht über seine neue Komödie „Happy Burnout“, seine Kriterien bei der Rollenauswahl und die Künstlerszene Wiens - und darüber, was er von einer Frauenquote bei der Filmförderung hält.

Er ist im Komödienfach ebenso zuhause wie im Drama, feiert im Fernsehen („Tatort“) Quoten- und im Kino Zuschauererfolge. In seinem neuen Film „Happy Burnout“ (ab Freitag im Kino) spielt Wotan Wilke Möhring den Alt-Punk Fussel, der in Hamburg lebt und Hartz IV bezieht, „seit es Hartz IV gibt“, wie es seine Sachbearbeiterin auf dem Arbeitsamt ausdrückt. Sie ist seinem Charme verfallen und unterstützt den Lebenskünstler ohne Ehrgeiz, wo sie nur kann – bis durch eine interne Prüfung auch ihre Hände gebunden sind und Fussel endlich aktiv werden muss. Arbeiten kommt für ihn nicht in Frage, also muss er einen Burnout vortäuschen und lässt sich in eine Spezialklinik einweisen, wo seine längst überfällige Metamorphose vom bockigen Kind zum verantwortungsvollen Erwachsenen seinen Lauf nimmt. Die „Presse am Sonntag“ traf Möhring in Köln zum Interview.

Sie sind ein begehrter Interviewpartner. Journalisten schätzen Gespräche mit Ihnen sehr. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Wotan Wilke Möhring: Wahrscheinlich daran, dass ich im richtigen Moment auch einmal die Schnauze halte. Denn das ist die große Kunst – vor allem angesichts des vielen Halbwissen, das wir uns heutzutage aneignen.

Ihr Figur in „Happy Burnout“ hält selten die Schnauze, während er seinen Traum als ewiger Jugendlicher lebt. Wobei sein Alltag durchaus verlockend ist. An so ein Lotterleben könnte man sich echt gewöhnen.

Ja, er hat sich auch daran gewöhnt und würde am liebsten so alt werden. Es fehlt ihm an nichts, er will nicht erwachsen werden. Dass muss er aber plötzlich, als ihm der Geldhahn abgedreht werden soll. Das ist der Beginn einer Reise, im Zuge dessen er gezwungen wird, sich zu ändern.

Er ist nicht unbedingt ein Systemverweigerer, oder? Er ist ja Teil des Systems.

Das finde ich auch. Er pflegt Kontakt mit seinen Nachbarn und ist ein wesentlicher Bestandteil seines Kiezes. Er ist kein System-, sondern ein Erwachsenenverweigerer. Er lebt in der Schwerkraft seines Daseins, wie viele von uns.

Ist dieser Lebensstil eigentlich ein Hamburger bzw. Berliner Phänomen, oder könnte sich das in jeder größeren Stadt abspielen?

Ich glaube schon, dass es Städte gibt, die sich eher dafür eignen. Hamburg und Berlin gehören sicher dazu, Wien aber auch. Wien ist ja nicht die schnellste Stadt. Ich war als Punk oft dort, im achten Bezirk. Eine Freundin wohnte in Perchtoldsdorf.

Schöne Gegenden für Punks.

Ja. (lacht) Jedenfalls gibt es in Wien eine Szene, die mit sich im Reinen ist und nichts ändern würde, wenn sie nicht aufgemischt wird. Etwa durch Gentrifizierung.

Teile der Künstlerszene zum Beispiel.

Genau. Zu Künstlern gehören ja auch die Lebenskünstler. Wenn nichts passieren muss, passiert auch nichts. Wie bei meiner Figur im Film, der nicht Teil der Spießergesellschaft sein will, in Wirklichkeit ist er selbst der größte Spießer. Denn Inaktivität und Trägheit sind ja Synonyme für Spießigkeit.

Das Thema Burnout wird im Film sehr sensibel und respektvoll behandelt. Warum haben Sie darauf so viel Wert gelegt?

Weil Burnout ein ernstes Thema ist und wir keine der Figuren verraten und ins Lächerliche ziehen wollten. Die Figuren, die an Burnout leiden, sind verlorene Seelen, daraus kann man keinen Slapstick machen. Meine Figur ist auch eine verlorene Seele, merkt das aber erst in der zweiten Hälfte des Films. Etwa in der Szene, als er gefragt wird, was er werden will, wenn er erwachsen ist. Bei dieser Frage merkt er, dass er nicht der ist, als der er sich ausgibt.

Nach welchen Kriterien suchen Sie sich Ihre Rollen aus? Nach Bauchgefühl oder spielen auch strategische Erwägungen eine Rolle?

Nach Bauchgefühl. Strategie ist mir nicht wichtig, Abwechslung hingegen schon. Die Rolle muss mich auf irgendeine Art berühren. Nur das zählt.

In Österreich läuft derzeit eine Debatte über eine Quote für Frauen bei der Filmförderung, weil vor allem Regisseurinnen unterrepräsentiert sind. Wie denken Sie darüber?

Ich finde schon, dass manche Stoffe in Frauenhänden besser aufgehoben sind. Frauen besetzen eher sperrigere und untypische Rollen, haben ein anderes Verständnis für den weiblichen Körper, bei Sexszenen etwa. Daher denke ich, dass man eine Quote ausprobieren und sehen sollte, ob sie sich bewährt.

Steckbrief

1967
wurde Wotan Wilke Möhring in Detmold in Nordrhein-Westfalen geboren.

2005
wurde er durch die Hauptrolle in dem Film „Antikörper“ einem breiteren Publikum bekannt. Es folgten Erfolgsfilme wie „Soul Kitchen“, „Männerherzen“ und „Das Leben ist nichts für Feiglinge“. Seit 2012 ist er zudem „Tatort“-Kommissar. 2016 spielte er Old Shatterhand in dem TV-Dreiteiler „Winnetou – Der Mythos lebt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.