„Die Menschen sind ja verrückt“

Detlev Buck ist ab 31. August in „Magical Mystery“ zu sehen. Außerdem läuft derzeit Leander Haußmanns „Pubertier“ in den Kinos, darin spielt Buck einen Kriegsreporter.
Detlev Buck ist ab 31. August in „Magical Mystery“ zu sehen. Außerdem läuft derzeit Leander Haußmanns „Pubertier“ in den Kinos, darin spielt Buck einen Kriegsreporter. (c) imago/Future Image (Christopher Tamcke)
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Interview. Detlev Buck über „Magical Mystery“, einen neuen Film aus dem „Herr Lehmann“-Universum, über die Raves der Neunziger und das dunkle Berlin nach der Wende, sein Leben am Bauernhof und warum er von „Filmfuzzis“ einen „Rappel“ kriegt.

Die Techno-Hippies der Neunziger sind zurück. Mit wilden Raves in riesigen Hallen, einer schrägen Truppe aus alternden Technostars und der Idee, wie damals die Beatles auf eine „Magical Mystery Tour“ zu gehen. In „Magical Mystery oder Die Rückkehr des Karl Schmid“ geht eine bunte Horde aus Techno-DJs und einem Exkünstler, der gerade aus der Drogentherapie-WG kommt, auf einen Roadtrip durch das Deutschland der Neunzigerjahre – und zugleich eine musikalische Zeitreise, etwa mit Westbam oder Whirlpool Productions.

Magical Mystery (nach dem gleichnamigen Roman von Sven Regener, der auch das Drehbuch verfasst hat) ist ein weiterer Film aus dem „Herr Lehmann“-Universum. Mit den typisch wahnwitzigen Monologen, dadaistisch-absurden bis tiefgründigen Dialogen und jeder Menge liebenswerter Freaks.

Regisseur Arne Feldhusen (ihn kennt man als Regisseur von Stromberg oder Der Tatortreiniger) nimmt die Zuschauer mit auf eine rasante Zeitreise in riesige Hallen, begleitet von Technobeats und dem Wunsch nach Liebe, Frieden und Gemeinschaft. Charly Hübner spielt diesmal Karl Schmidt. In „Herr Lehmann“ war einst Detlev Buck der Karl, nun, so der Schauspieler beim Interview in Berlin, sei er für diese Rolle zu alt. Also ist Buck als Ferdi, eine Art Mastermind der Truppe in einer weiteren Hauptrolle in Magical Mystery dabei. Im Interview erzählt Buck vom Hippe-Geist der Raver, von Dreharbeiten am brachliegenden Flughafen BER, und warum er privat aus der Berliner Filmwelt immer wieder weit weg flüchten muss.

Im Film geht es zurück in die Neunzigerjahre, das Berlin nach der Wende, die Rave Szene. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Detlev Buck: Die Neunziger, Berlin und die Rave-Szene sind ja verschiedene Punkte. Letztlich ist das hier in Berlin zusammengelaufen. Berlin war Anfang der Neunziger eine dunkle Stadt. Da gab es Straßen, da war gar nichts, Berlin war so überhaupt nicht gentrifiziert, nichts war gestylt, loungig, es war einfach rough. Aber das hat es dann auch ausgemacht.

Waren Sie damals unterwegs in der Rave-Szene, bei diesen Megaparties?

Ich bin gern Beobachter und gucke mir so etwas an. Ich habe mich daran gefreut und sagte: Wow, das habe ich verstanden. Auch meine Figur, Ferdi, den gab es ja wirklich, William Röttger, der war sozusagen ein Chefideologe. Der war Hippie, dadurch kam auch diese Flower-Power in die Bewegung, dieses Love-Parade, dieses Alle-können-Mitmachen, es gab keine Begrenzungen im Alter, nach der Kleidung oder sonst irgendetwas. Es geht um Love! Das hat der da reingetragen, dadurch hat es so etwas befreites und simples, auch in der Musik simples, das mochte ich.

War das Aufleben dieser Szene typisch für Berlin? Hat das nur in dieser Stadt und zu dieser speziellen Zeit passieren können?

Ja, ich glaube schon. Da war zuvor Ost-West, die Trennung, das maximale Plus-Minus. Dann ist plötzlich die Trennwand weg, alles vermischt sich, es gibt einen Raum, der neu genutzt wird. In Berlin war mehr oder weniger alles im Umbruch und alles offen, auch in der elektronischen Musik, da ist Berlin ja noch immer ein Mittelpunkt, bis heute. Aber damals war es so ein Freiraum. Letztendlich ist durch die Wende ein großer Freiraum entstanden.

Wie war es, diese Welt auferstehen zu lassen? Die Mode, die Parties...

Wir haben ja auf dieser Mayday gedreht, die machen das ja noch immer, aber es hat letztendlich nicht mehr diesen Drive, es ist kommerzialisiert. Aber es kommen immer noch Träumer, die diesem alten Traum hinterherhängen. Du kriegst es aber nicht mehr zurückgedreht. So etwas, das damals entstanden ist, das war improvisiert, die haben nicht berechnet und gemessen, was ankommt, sondern einfach irgendwas versucht und dann ist etwas völlig Neues entstanden.

Sind die Neunzigerjahre nun lange genug her, dass man Nostalgie-Filme drehen kann?

Ja, das kann man schon. Wir hatten auch, wie bei „Herr Lehmann“, das Problem, dass zum Beispiel die Autos weg sind. Die Autobahnszenen konnten wir natürlich nicht mit heutigen Autos drehen, mit so Elektrodingern, also haben wir auf der Zulieferautobahn zum Flughafen BER, der liegt ja so schön darnieder, gedreht, da sind wir umgeben von 20 Autos aus dieser Zeit im Kreis gegurkt. Dadurch hat das etwas Retrohaftes. Oder diese Riesenhandys! Die sagen im Film: ,Ey, ist ja geil, mitten im Auto einfach angerufen zu werden, ist das nicht irre?' (lacht)Aber so war das damals eben.

Sie führen selbst auch Regie. Wie funktioniert der Wechsel vom Regisseur zum Schauspieler unter Regie eines anderen?

Es ist ja eine Kollaboration. Als Schauspieler bist du auch froh, dass du nicht nachräumen musst, wie ein Regisseur das muss. Das ist ja schrecklich viel Arbeit. Christoph Waltz hat gesagt, nachdem der auch einen Fernsehfilm gemacht hatte, das würde er nicht wieder machen, so viel Arbeit, man ist der erste und letzte zugleich, da ist er lieber Schauspieler. Ja, siehste! Man kann sich als Schauspieler auch erfreuen, dass man Teil des Ensembles ist, dieser Family. Ich mag den Wechsel, dann kann ich das eher als Spiel empfinden, ich bin ja eher verspielt.

Hat der Schauspieler also den einfacheren, den lustigeren Job am Set?

Naja, man unterschätzt das. Wenn die Klappe fällt und man dran ist, muss man etwas denken, man muss etwas fühlen, damit man das machen kann. Wenn man nur rumdaddelt, das geht nicht. Und man ist teilweise, was mich schon immer wieder wundert, als Schauspieler genauso müde wie als Regisseur.

Privat leben Sie ja teils in einer ganz anderen Welt, in einem Dorf, auf einem Bauernhof. Wie funktioniert der Switch zwischen Landleben und Filmwelt?

Das funktioniert gut. Wir haben ja auch in der Nähe von dort, wo ich geboren bin, gedreht. In dieser tiefsten Dorfdisco-Provinz. Ich liebe Dorfdiscos und finde das toll. Aber ich krieg immer einen Rappel, in jeder Gesellschaft, in der Landgesellschaft, auf dem Dorf, und ich kriege auch einen Rappel bei den Filmfuzzis. Irgendwann nervt mich das, dann muss ich weg, das geht fast im Tagesrhythmus bei mir. Beim Drehen muss ich natürlich länger durchhalten, das geht, weil etwas Neues entsteht. Aber wenn es sich nur um sich selber dreht, das ist irrsinnig anstrengend.

Was haben Sie für einen Status im Dorf? Der exzentrische Schauspieler?

Das hat sich jetzt gelegt, das war vielleicht früher so, aber jetzt nicht mehr. Das ist denen jetzt wurscht.

Hof oder Film, was ist das echtere Leben?

Ich finde, der Wechsel ist das echtere Leben. Es ist der Perspektivenwechsel, der mir gefällt, weil ich beides dann wertschätze. Im Dorf ist eine Art von Rhythmus, der nicht aufgeregt ist. In Berlin hast du eine Art Nervosität, die einen zermürben kann. Viele sind da auch, besonders in den Clubs, hängengeblieben und kommen nicht mehr in einen anderen Rhythmus rein und sind nur noch auf Speed oder was auch immer. Das zu betrachten, auch aus anderer Perspektive, das ist wichtig, dann guckt man mehr über den Tellerrand.

Genauso wie der Perspektivwechsel, wenn man ein Land verlässt. In Europa, oder im asiatischen Raum, wo sie sagen: Europa ist egal. Filme in solchen Ländern zu machen, „Same same but different“ in Kambodscha zum Beispiel, das hat mir immer am besten gefallen. So entstand auch meine Freundschaft zu Michael Glawogger, der ja auch immer diese Weltläufigkeit, diese andere Perspektive auf die Welt hatte. Das ist das Schönste, was man haben kann, eine andere Perspektive auf diese ganze verrückte Welt. Die ist ja doch verrückt! Die Menschen sind ja auch verrückt.

Steckbrief

Detlev Buck ist Schauspieler, Regisseur, Produzent und Autor einiger deutscher Erfolgsfilme. Er wurde am 1. Dezember 1962 in Bade Segenberg im Norden Deutschlands geboren, wuchs dort in Schleswig-Holstein, auf einem Bauernhof auf und absolvierte zunächst eine Lehre als Landwirt. In den 1980er-Jahren hat er an der Film- und Fernsehakademie Berlin studiert.

Bekannt wurde er mit Filmen wie Männerpension, Same Same But Different, Herr Lehmann oder Sonnenallee.

Der Film „Magical Mystery oder Die Rückkehr des Karl Schmidt“ startet am 31. August in ausgewählten Kinos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2017)

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