Tanja Mairitsch: Abgetauchte Filmwelt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Regisseurin Tanja Mairitsch hat gewagt, woran große Produktionen gescheitert sind: einen künstlerischen Unterwasserdreh.

Tanja Mairitsch kramt nach dem Handy in der Tasche. Sie liest die Nachricht eines Festivalmitarbeiters vor. „Ihr habt es geschafft, dass die Form, trotz der tollen Optik, nie im Vordergrund steht, sondern immer die emotionale Geschichte.“ Die Regisseurin strahlt. „Darüber habe ich nie nachgedacht“, sagt sie. Dass ihr neuer Kurzfilm „Lacrimosa“ zu einem guten Teil unter Wasser spielen sollte, war von Anfang an klar. „Aber wenn du keine gute Geschichte erzählst, interessiert die Leute auch dein toller Look nicht.“

Mairitsch hat sich mit „Lacrimosa“ in filmtechnisch fast ungenutzte Gewässer vorgewagt. Sie erzählt die Entstehungsgeschichte einer Träne und taucht dabei in die verwässerte Gedankenwelt der Protagonistin ein. Surreal durchläuft sie die Erinnerungen und Wünsche einer jungen Frau, die in Traurigkeit zu versinken droht, immer wieder ihrer verstorbenen Liebe begegnet und doch nicht an sie herankommt. Bis sie aus ihrer Traumwelt auftaucht und sich der Realität stellt.

Sprechen unter Wasser

Zu einem guten Drittel unter Wasser gedreht, fängt der 18-Minuten-Film die Ästhetik verlangsamter Bewegungen im Wasser ein, wallendes Haar, schwebende Kleider, spielt dabei aber gleichzeitig an Land und in der Wüste. Möglich macht das eine Kombination aus Unterwasserdreh und Greenscreen-Technik. Der grüne Hintergrund während des Drehs unter Wasser wird bei der Bildbearbeitung einfach herausgeschnitten und durch einen beliebigen Hintergrund ersetzt. Die Schwierigkeit: Die Schauspieler sprechen auch unter Wasser. Eine Herausforderung, an der bisher so einige Produktionen gescheitert sind. „Ich wollte ja echte Schauspieler, keine Apnoe-Taucher“, sagt Mairitsch. „Das hat Monate der Vorbereitung gebraucht.“

Nicht nur für die Schauspieler, sondern für das gesamte Team. Wasserfestes Equipment, eine Wassertemperatur von mindestens 31 Grad, eine Beckentiefe von fünf Metern, niedrige Chlorwerte, um die Augen nicht zu irritieren, Bleigewichte an den Füßen der Schauspieler, um sie unter Wasser zu halten, Atemtechniken und Rescue-Taucher, die die Luftzufuhr für die Darsteller regeln. Umgesetzt hat das ein Kamerateam aus Deutschland, das schon vor zwanzig Jahren mit Unterwasser-Dokumentationen begonnen hat. In Österreich gab es nichts Vergleichbares, sagt Mairitsch.

„Auch ich hatte von diesen Dingen keine Ahnung“, gibt sie zu. „Ich habe alles lernen müssen.“ Ist das nicht auch riskant? „Riskant nicht. Ich und mein Team haben vorher alles selbst getestet. Da waren Profis am Werk.“ Stichwort: Elektrizität und Wasser. „Ich hatte nur Angst, dass sich einer der Schauspieler mal verschluckt und nicht mehr weitermachen will.“

Mairitsch liebt Herausforderungen, den Nervenkitzel, das Neue, sich ausprobieren. Vor allem, wenn es um ihre Filme geht. Die ursprünglich aus Kärnten stammende Regisseurin hat als Kind im Iran gelebt und ist später in Bogotá in Kolumbien aufgewachsen. Mit Mitte Zwanzig ist sie an das American Film Institute nach Los Angeles gekommen, wo sie zehn Jahre in der Branche gearbeitet hat. Mit „Lacrimosa“ hat sie ihren ersten Kurzfilm wieder in Österreich gedreht.

Und vielleicht kommt dieses Abenteuer selbst ja auch von ihrem Vater, dem Mathematik- und Physikprofessor, den sie einen „echten Indiana Jones“ nennt. Mit ihm schwamm sie in Flüssen mit Piranhas, über seinem Schreibtisch hing eine Anakondaschlagenhaut, daneben Totenköpfe, die beide selbst aus Grabfeldern ausgebuddelt hatten. Dagegen sieht ihr Schreibtisch heute wohl fast prüde aus. Stapelweise Notizen und ein Laptop. Dabei schreibt Mairitsch nicht gern. „Ich denke in Bildern“, sagt sie und blickt sich im Café Sperl um. „Stellen wir uns vor, all diese Menschen könnten genauso hier sitzen und Tee trinken, nur mit Unterwasserästhetik, mit wallenden Haaren. Das war die Idee.“ Erst danach kam die Geschichte dazu.

Der vom ORF mitfinanzierte Kurzfilm „Lacrimosa“ feierte soeben beim Filmfestival Kitzbühel Österreich Premiere. Ob der Film in Zukunft erfolgreich sein wird, wird sich zeigen. Aber eines steht fest: „So etwas hat es bisher noch nicht gegeben.“

ZUR PERSON

Die Regisseurin Tanja Mairitsch wurde in Kärnten geboren und wuchs im Iran und in Kolumbien auf. Zum Studium am American Film Institute zog sie nach Los Angeles, wo sie jahrelang tätig war.

Ihren Kurzfilm „Lacrimosa“, der beim Filmfestival Kitzbühel Österreich-Premiere feierte, hat sie in Österreich gedreht, die aufwendigen Unterwasserszenen entstanden mit einem Kamerateam aus Deutschland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2017)

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