Das Reden über den eigenen Tod: „Für mich habe ich nie Zeit gehabt“

Nachdenken über den Tod: Die mittlerweile verstorbene Heide Strohmaier sagte nach dem Interview für die Doku „Vom Leben und Sterben“, dass sie das Reden über das Sterben entspannt habe.
Nachdenken über den Tod: Die mittlerweile verstorbene Heide Strohmaier sagte nach dem Interview für die Doku „Vom Leben und Sterben“, dass sie das Reden über das Sterben entspannt habe.(c) Michael Weinmann
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Regisseur Michael Weinmann befragte Menschen in Hospizen über ihr Leben – sie zeigten sich begeistert über die Möglichkeit, Bilanz zu ziehen.

„Bei mir waren immer zuerst die anderen. Den anderen helfen, das war mir wichtig. Aber für mich selber habe ich nie Zeit gehabt.“ Es ist nicht das einzige Mal, dass Michael Weinmann Sätze wie diese hört. Immer wieder tauchen sie auf, diese Rückblicke auf das Leben. Dass man sich für den Beruf aufgeopfert habe. Zu wenig auf sich selbst geschaut, sich zu wenig gegönnt habe. Mit vielen Menschen am Ende ihres Lebens hat der Regisseur in den vergangenen Monaten Gespräche geführt. Hat Palliativstationen besucht, in denen unheilbar kranke Menschen behandelt werden, und Hospize, in denen sie ihre letzten Tage verbringen. Ein intensives Erlebnis, das er mit seinem Team nun in eine TV-Dokumentation verpackt hat.

Angenehm und schmerzfrei

„Vom Leben und Sterben“ behandelt die Frage, wie Menschen am Lebensende zurückschauen, was sie bereuen – und wie sie mit dem Gedanken umgehen, dass sie bald nicht mehr leben werden. „Wir wollten zeigen, dass man nicht so viel Angst vor dem Sterben haben muss“, sagt Weinmann. Immerhin gebe es ja Möglichkeiten, diesen Prozess möglichst angenehm und schmerzfrei zu gestalten. „Da gibt es in der Palliative Care ein Team aus Ärzten, Schwestern, Seelsorgern, Physiotherapeuten, Hospizarbeitern und weiteren – diese Menschen leisten Unglaubliches.“ Sie vor den Vorhang zu holen steht auch hinter dem Film, der am Mittwoch auf ORF III zu sehen ist.

Von all den Menschen in Hospizen, mit denen er von August bis Mitte Oktober gesprochen hat, sind nur noch zwei am Leben. Den Tod vor Augen noch ein Interview zu geben, über das eigene Leben, den eigenen Tod zu sprechen – das sei während der Dreharbeiten kein Problem gewesen. „Es hat jeder völlig offen gesprochen“, sagt Weinmann. Eine einzige Frau habe gesagt, dass sie nicht mehr über den Tod sprechen wolle. Alle anderen seien sofort dabeigewesen. „Eine hat sogar nach dem Gespräch gesagt: ,Das gibt es nicht, dass ich mich einmal so über mein Inneres äußern werde.‘“

„Die Elisabethinen haben uns unterstützt“, erzählt der Regisseur. Die Schwestern hätten zunächst bei den Betroffenen vorgefühlt. Aber dann sei man einfach ins Zimmer gegangen und habe um ein Gespräch gebeten. Probleme hätte es maximal mit der körperlichen Verfassung gegeben. Denn viel länger als 15 Minuten hatte man meist kaum Zeit – weil die todkranken Menschen dann erschöpft waren und nicht mehr weitersprechen konnten. Für Weinmann war es nicht die erste Erfahrung mit dem Thema. So wie auch bei diesem Projekt hat er bereits für drei kürzere Dokus mit der Styria und den Elisabethinen kooperiert. Schließlich habe man vor zwei Jahren daran gedacht, etwas Großes zu machen. Zu Wort kommen im Film nicht nur Menschen in Hospizen, auch Prominente sprechen über ihre Erfahrungen mit dem Sterben und dem Tod – von Schriftsteller Gerhard Roth über Schauspieler Johannes Silberschneider bis zum Salzburger Erzbischof Franz Lackner und dem Palliativmediziner Gian Domenico Borasio.

Ein wichtiger Aspekt im Film ist auch, dass Palliativversorgung allen Menschen zugänglich sein sollte. Dazu wird das Hospiz für Obdachlose, das vor wenigen Monaten in Graz eröffnet wurde, in den Mittelpunkt gerückt. Hier sollen Menschen, die im benachbarten VinziDorf leben, ihre letzten Tage verbringen können – in einem Krankenhaus wären sie von ihren Mitbewohnern aus dem Dorf isoliert. Das VinziDorf-Hospiz wurde zuletzt von der Jury des Internationalen KlinikAwards in Berlin mit dem Goldenen Sonderpreis der Jury geehrt. „Das war“, sagt Weinmann, „schon auch ein Anlass, mit besonders viel Herz in das Projekt hineinzugehen.“

ZUR PERSON

Michael Weinmann arbeitet als Filmemacher und Regisseur in Graz. Sein jüngstes Projekt, „Vom Leben und Sterben“, widmet sich dem Sterben und dem Tod. In Palliativstationen und Hospizen hat er mit Betroffenen gesprochen, dazu mit Experten und Prominenten Gespräche geführt. Der Film ist am Mittwoch, 1. November, um 15.50 Uhr auf ORF III zu sehen. [ Privat ]

Web:www.weinmann.tv

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2017)

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