Marktplatz für den guten Stoff

Helga Neubauer näht seit ihrer Kindheit.
Helga Neubauer näht seit ihrer Kindheit.(c) Akos Burg
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Helga Neubauer veranstaltet den „Schneiderei-Markt“ in der Ottakringer Brauerei und will damit auch Nähen als Handwerk fördern.

Die Erinnerungen reichen zurück bis in die Volksschule. Damals, in den 70er-Jahren, als ihre Freunde mit Puppen, Teddys und Barbies spielten, machte Helga Neubauer bereits Geschäfte. Sie saß als Achtjährige vor ihrer Kindernähmaschine und nähte Kleider für Barbiepuppen, die sie dann für sieben Schilling an ihre Mitschüler verkaufte.

Das Nähen, das Wissen um ein Handwerk ist etwas, das die gebürtige Tirolerin ihr Leben lang begleitet hat. Neubauer kommt aus einer „Handarbeitsfamilie“, die Mutter ist Hobbynäherin, die Tante gelernte Schneiderin. Wenn die Tochter während des Studiums nach Hause fuhr, „dann haben wir uns gezeigt, was wir genäht haben“, erzählt die heute 49-Jährige, die an diesem Tag nichts Selbstgenähtes trägt, aber die Frage nur zu gut kennt.

Es sollte trotzdem Jahre dauern, bis sich das Nähen auch beruflich in Neubauers Leben schleichen würde. Aus rein pragmatischen Gründen. „Ich bin ins Gymnasium gegangen und wollte danach keine Lehre machen“, also studierte sie zuerst Kommunikationswissenschaften, war dann jahrelang bei ATV im Bereich Reichweitenmanagement tätig. Bis sie mit „deutlich 40 Jahren“ beschloss, dass es doch noch schön wäre, wenn das Nähen auch beruflich eine Rolle spielen würde.

Neubauer verließ ATV und machte sich 2013 mit dem Online-Bio-Stoffgeschäft Schnittmenge selbstständig. Diese Wochenende organisiert sie zum dritten Mal den „Schneiderei-Markt“ in der Ottakringer Brauerei. Bei dem nun auch ihr Fachmagazin „Die Schneiderin“ vorgestellt wird – Schwerpunkt Plissee. „Ich bin halt doch ein Kommunikationsmensch“, erklärt sie den Start des Magazins.

Von Blaudruck über Walkstoff

Beim Markt am Samstag und Sonntag werden 30 Aussteller im Gerstenboden der Brauerei ihr Sortiment herzeigen. Unter ihnen die Blaudruckerei Wagner, Kirchschlager Walkloden, Experten zum Thema Filzen, Anbieter von Seiden- und Leinenstoffen und natürlich die allseits beliebten Jerseystoffe. Quasi als Highlight gibt es jeden Tag gratis Workshops, bei denen Wissen vermittelt wird. Etwa über das richtige Einnähen von kleinen Schulterpolster (bei Frauen mit schmalen Schultern wieder beliebt), über richtiges Zuschneiden, und die Wichtigkeit vom Bügeln beim Nähen. Über Letzteres referiert Walter Lunzer, der Anhängern der Gebrüdern-Stitch-Jeans ein Begriff sein dürfte. In einem kleinen Shop können Knöpfe oder Nähgarn gekauft werden – und natürlich Nähmaschinen.

Wichtig ist Neubauer dabei, dass die Besucherinnen (es sind fast nur Frauen) beim Markt ihre Fähigkeiten ausbauen können. Dass sie sich nicht nur an die (einfachen) Jerseystoffe rantrauen, sondern auch Komplizierteres ausprobieren. Immerhin sei Nähen eine „Kulturtechnik“, die weitergegeben gehört – und die noch nicht vergessen ist. Die meisten der Besucherinnen seien Frauen über 40 Jahre, die noch wie sie selbst zuhause Nähen gelernt hätten. „Die kennen einfach ihren Körper und wissen, was ihnen passt.“ Neubauer selbst näht etwa gern Anzüge und Overalls – Schnitte, „die ich nicht im Geschäft kaufen kann“.

Eine weitere, größere Gruppe am Markt sind junge Frauen, die auf den Do-it-yourself-Trend der vergangenen Jahren aufgesprungen sind. Sie haben das Nähen mit ihren (Baby-)Kleidern wieder modern gemacht – und einen ganzen Wirtschaftszweig (mit-)angekurbelt. Von dem auch Neubauer profitiert. In ihrem Shop (und am Markt) verkauft sie Bio-Webstoffe – viele davon kommen aus indischen Kooperativen. Außerdem bietet sie Schnittmuster vom heimischen Label Iamyou an, das so seine Kollektion zweitverwertet. Eine Idee, die auch andere Designer begeistern kann, hofft Neubauer. „Aber da muss ich noch Überzeugungsarbeit leisten.“

AUF EINEN BLICK

„Schneiderei-Markt 2018“. Zum dritten Mal findet am Samstag und Sonntag (7. und 8. April, 11 bis 18 Uhr) der „Schneiderei-Markt“ in der Ottakringer Brauerei statt (Eintritt: 5 Euro). Rund 30 Aussteller bieten dort verschiedene Stoffe und Dienstleistungen sowie Nähzubehör an. Es gibt dort etwa Blaudruckstoffe, Walkloden und Jerseystoffe zu kaufen. Jeden Tag gibt es Workshops zu verschiedenen Nähthemen. www.schneiderei-markt.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2018)

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