Al Gore: Das Ende einer Musterehe

Gore Ende einer Musterehe
Gore Ende einer Musterehe(c) Reuters (Gary Hershorn)
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Al und Tipper Gore galten bis zuletzt als Washingtons Vorzeigeehepaar. Die Nachricht über die Trennung nach 40-jähriger Ehe kam jetzt für viele völlig überraschend.

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Diesen Sommer werden Bill und Hillary Clinton bei der Hochzeit ihrer Tochter Chelsea auf Martha's Vineyard, der noblen Ferienadresse an der Ostküste, alle Welt am Familienglück teilhaben lassen. Ob auch die Gores in der Kirche Spalier stehen werden, ist eher zweifelhaft. Zum einen haben sich der Ex-Präsident und sein Stellvertreter entfremdet. Zum anderen haben sich Al und Tipper Gore auseinandergelebt, wie sie einem schockierten Freundeskreis nach 40-jähriger Ehe via E-Mail mitteilten.

Per Klick fand die Nachricht umgehend den Weg in die Öffentlichkeit. „Das hat niemand kommen sehen“, erklärte ein gemeinsamer Freund. Von einer Affäre will vorläufig partout niemand etwas wissen.

In Washington, wo Politikerehen oft nur Fassade sind, galten die Gores als Vorzeigepaar. Unvergessen ist der Kuss anlässlich der Kür Al Gores zum Präsidentschaftskandidaten beim Parteikonvent der Demokraten vor zehn Jahren, der live vor einem Millionenpublikum kein Ende zu nehmen schien und im prüden Mainstream der US-Gesellschaft für einen kleinen Eklat sorgte.

Der steife Senatorensohn aus einer Patrizierfamilie in Tennessee und die quirlige Blondine mit dem Herzen am rechten Fleck lieferten lange den Nachweis, dass Politik und Privatleben im Einklang stehen können.

Vor den TV-Duellen gegen George W. Bush ließ Tipper (eigentlich Mary Elizabeth) ihrem Al „laszive“ SMS zukommen, wie sie hinterher einmal enthüllte. Später sollten der Senator und Präsidentschaftskandidat John Edwards und seine Frau Elizabeth ein ähnliches Idyll vorspiegeln – und kläglich scheitern.


Gore brüstete sich sogar, dass die Beziehung Modell gestanden sei für die „Lovestory“, die College-Schmonzette zwischen Oliver und der krebskranken Jenny, die das Land in ein Tränenmeer ausbrechen ließ. Autor Erich Segal freilich bezeichnete Gores Harvard-Zimmerkollegen als Quell der Inspiration: den späteren Hollywoodstar Tommy Lee Jones.

Bevor Gore als Berichterstatter der US-Armee in den Vietnam-Krieg zog, heirateten die beiden im Mai 1970 – er gerade 22-jährig, sie ein halbes Jahr jünger. Danach sollte nichts mehr sie trennen. Kurzzeitig arbeiteten sie sogar zusammen bei der Zeitung „The Tennesseean“ in Nashville: er als Reporter, sie als Fotografin.

Als er sich entschloss, seinem Vater in die Politik zu folgen, war sie alles andere als begeistert. Später litt Tipper an Depressionen, ein lebensgefährlicher Unfall ihres Sohnes schweißte sie noch stärker zusammen.

Während Al in Washington Karriere machte, gab Tipper die Frau an seiner Seite und zog vier Kinder groß. In einem Feldzug gegen die Musikbranche engagierte sie sich gegen obszöne Songs und drastische Plattencover, was ihr den Zorn der Künstler- und Intellektuellenszene bescherte– unter anderem von Frank Zappa. Später freundete sie sich mit Zappa-Witwe Gail an und spielte Schlagzeug für deren Tochter Diva. Und als die Präsidentschaftsambitionen Gores in einem Politdrama mündeten, zogen sie zurück nach Tennessee.

Mit Vollbart und neuer Leibesfülle, als Witzfigur belächelt, erfand sich Al Gore als Umweltguru neu. Die Präsidentschaft blieb ihm zwar verwehrt, doch sonst errang er mit seinem Buch und der gleichnamigen Polit-Dokumentation „Die unbequeme Wahrheit“ alle Würden: Emmy, Oskar und Nobelpreis. Als Weltreisender in Sachen Klimawandel wandelte er meist auf Solopfaden– bis schließlich die Entfernung zu groß wurde. Dabei haben die Gores gerade erst für neun Millionen Dollar ein Anwesen im kalifornischen Montecito erworben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2010)

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