Wut und Liebe des Bruno Ganz

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Bruno Ganz will nie wieder auf der Bühne stehen, er habe "damit nichts mehr zu tun". Er widmet sich seiner Liebe, dem Kino. Ganz überraschend kommt die Abrechnung des Schweizer Schauspielers mit dem Theater nicht.

Man schrieb das Jahr 1911, als im Nachlass des Schauspielers Friedrich Haase ein Ring gefunden wurde. Der Fingerring zeigte das Porträt des Schauspielers und Dramatikers August Wilhelm Iffland, der in der Uraufführung von Schillers „Räubern“ mitgespielt hatte. In seinem Testament hatte Haase festgelegt, dass der Ring künftig „dem zur Zeit würdigsten“ deutschsprachigen Schauspieler zugedacht werden sollte, der ihn wiederum testamentarisch an den nächsten weiterreichen solle.

Die Würdigsten: Das waren seither Albert Bassermann, Werner Krauß, Josef Meinrad. Und als Meinrad 1996 starb, übertrug er den Ring an Bruno Ganz. Doch nun will der würdigste deutschsprachige Theaterschauspieler kein Theater mehr spielen. „Ich bin total zerworfen mit dem Theater“, erklärte der 69-jährige Iffland-Ring-Träger im Gespräch mit einem Journalisten in Berlin. Und: „Ich habe damit nichts mehr zu tun.“

Aus Ganz spricht die Wut aufs Regietheater. „Keiner von diesen Bundesliga-Erste-Sahne-Regisseuren im deutschen Theater lässt Identifikation zu“, wetterte er. „Die scheuen das wie der Teufel das Weihwasser. Also habe ich da nichts mehr zu suchen.“


Ganz überraschend kommt die Abrechnung des großen Schweizer Schauspielers mit dem Theater nicht. In den vergangenen Jahren hatte der Schweizer in Interviews immer wieder Kritik geübt und erklärt, das Theater sei ihm „weggerutscht“. Auch der Bruch mit Claus Peymann, dem Leiter des Berliner Ensembles, im Jahr 2005 dürfte sein Übriges beigetragen haben.

Dabei gibt es wenige Figuren zwischen Hamlet und Odysseus, die Ganz nicht gespielt hat, wenige Regisseure von Zadek bis Bondy, mit denen er nicht gearbeitet hat. Mit Peter Stein, seinem künstlerischen Langzeit-Partner, brachte er Faust I und II in einer 21-stündigen Inszenierung auf die Bühne.

Nun hat der Sohn eines Schweizer Fabrikarbeiters genug von der Bühne. „Die Jungs machen ihr Theater und das gefällt mir nicht. Schluss. Aus“, zieht der „Groß-Schauspieler“ („Die Welt“) einen Schlussstrich. Eine Entscheidung, die sicher dadurch erleichtert wird, dass Ganz schon seit Mitte der 1970er-Jahre mit dem Kino ein zweites Standbein hat. 70 Filme hat er gedreht. Darunter auch und vor allem: „Der Untergang“, in dem Ganz auf unvergessliche Weise Adolf Hitler spielt. Tatsächlich, gestand Ganz in jüngerer Zeit, habe seine Liebe schon lange, wenn nicht immer, dem Film gegolten. Doch das sei mit seiner Geschichte, seiner Herkunft „nicht einmal vorstellbar gewesen“, erzählte er im Frühjahr der „FAZ“. Dann, als die ersten Chancen auftauchten, hätten ihn viele Theatermenschen gewarnt: Film, das könne er nicht, er sei ein „geborener Theaterschauspieler“. Ganz, obwohl eingeschüchtert, versuchte es trotzdem.

Mit Erfolg: Heute rufen Filmgrößen wie Francis Ford Coppola bei ihm an („Hi Bruno – this is Francis“), im Dezember wird er von der „European Film Academy“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet.


Anfang des Jahres hat er zudem ein neues, ungewohntes Amt übernommen: Gemeinsam mit Iris Berben ist er Präsident der Deutschen Filmakademie. Mit seiner Vorgängerin, Senta Berger, stand er zuletzt vor der Kamera: In „Satte Farben vor Schwarz“ spielen die beiden ein österreichisches Ehepaar, das sich, nachdem der Mann an Krebs erkrankt, gemeinsam für den Freitod entscheidet.

Apropos Tod: Wer den Iffland-Ring eines Tages bekommen soll, ist bereits bestimmt. Bis dahin behält ihn Ganz – und macht Kino. Letzter Seitenhieb auf die Theaterregisseure: „Vielleicht würden die das auch lieber, aber das ist ihnen verwehrt.“

ZUR PERSON

Bruno Ganz (geb. 1941 in Zürich) zählt zu den größten deutschsprachigen Theater- und Filmschauspielern (u. a. „Der Untergang“). Er verkörperte fast alle wichtigen Figuren und drehte 70 Filme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2010)

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