Carl Gustaf und die Skandale: Palastrevolution?

Carl Gustaf Skandale Palastrevolution
Carl Gustaf Skandale Palastrevolution(c) AP (LUCA BRUNO)
  • Drucken

Die Skandale um König Carl Gustaf nimmt man im Land recht gelassen: Die Enthüllungen hätten die Monarchie nur menschlicher gemacht. Immer noch sind 70 Prozent für die Bewahrung der Monarchie.

Wer in diesen Tagen in gewissen deutschen Gazetten schmökert, muss glauben, dass in Schweden die Palastrevolution unmittelbar bevorstehe und der skandalumwitterte König Carl Gustaf vom Thron gefegt werde. Wer hingegen durch die schwedischen Zeitungen blättert, erlebt eine ganz andere Wirklichkeit. Nicht einmal die sonst stets lieferbereiten Boulevardblätter widmen den Eskapaden des Regenten ein noch so kurzes Textlein. Auch Enthüllungen eines Fernsehsenders, dass der Vater Königin Silvias als NS-Mitglied und Fabrikant in Hitlers Kriegsmaschinerie eine offensichtlich größere Rolle spielte, als die Tochter bisher wahrhaben wollte, hat kaum Widerhall gefunden.

Das Bonbon ist ausgelutscht, meint man in Schweden. Die Skandale haben weder den Staat erschüttert noch die Monarchie. Zwar meinen in einer Umfrage 31 Prozent der Befragten, dass Carl Gustaf den Thron seiner Tochter Victoria überlassen sollte und nur 51 Prozent wollen den König bis zu seinem Tod als König sehen. Das hat sicher mit den positiven Schlagzeilen zu tun, die die Kronprinzessin bei ihrer Hochzeit bekam, und den negativen für ihren Vater. Doch dass immer noch 70 Prozent die Monarchie bewahren und nur 17 Prozent sie abschaffen wollen, zeigt die Stärke des schwedischen Königshauses.

Die Skandale haben, schrieb „Aftonbladet“, als sich die Königsfamilie erstmals seit dem Erscheinen der Biografie „Der widerwillige Monarch“ wieder gemeinsam zeigte, die Monarchie sogar gestärkt: „Das Skandalbuch hat sie menschlich gemacht.“ Mit der Hochzeit der Kronprinzessin als strahlender Ausnahme habe das Königshaus ein Krisenjahr hinter sich.

Carl Philip, der Zweitgeborene unter den Königskindern, „verknallt sich in ein Doku-Soap-Babe und schert sich den Teufel drum, was andere denken“. Madeleine, das Schwesterchen, bricht ihre Verlobung, vom Liebsten betrogen. „Und der König pfeift auf alle vorfabrizierten Statements und hält einen teilweise unbegreiflichen, aber schmerzhaft ehrlichen Monolog über das Skandalbuch. Das Ergebnis: ein voller Erfolg“, schließt „Aftonbladet“. Es menschelt bei Königs. Nur jeder vierte Schwede findet es laut einer Umfrage in Ordnung, dass die Journalisten in deren Privatleben stöbern.


So kann der Hofbiograf Herman Lindqvist in „Expressen“ die „Verlogenheit und Doppelmoral“ mancher Kommentatoren anprangern. „Sie geben sich aufgebracht über die Oberklassemanieren, die in dem Buch beschrieben werden, als ob man nie einen ehrbaren Sozialdemokraten mit runtergelassenen Hosen ertappt hätte.“ In „Svenska Dagbladet“ springt John Crispinsson dem König bei: Im Vergleich zu vielen seiner Vorfahren sei Carl Gustav geradezu ein Tugendbold. „Wir leben anscheinend in einer puritanischeren, viktorianischeren und neumoralischeren Zeit, als wir glaubten.“ Lena Mellin in „Aftonbladet“ hält dagegen: Die Enthüllungen seien „schockierend“. Das Schlimme sei jedoch nicht die angebliche Untreue des Königs, sondern der Umgang des Staatschefs und seiner Kumpanen mit den „Schwerkriminellen“, die die frequentierten Lokale betreiben.


Rund um das Erscheinen des Buchs fütterte der Boulevard die Leser mit pikanten Details von den Gelagen, Stripclub-Besuchen und Liebschaften des Königs. Die seriöse Presse kam hinterher, an der eigenen Rolle zweifelnd, wie „Dagens Nyheter“ eingestand: „Schreiben wir darüber, wirft man uns Klatschjournalistik vor. Schreiben wir nicht, heißt es, wir verschweigen wichtige Informationen.“ Doch inzwischen ist der Fall erledigt.

Dass der König zum Rücktritt gezwungen wird, glaubt niemand, dass er freiwillig geht, gilt als unwahrscheinlich. Schließlich soll Thronfolgerin Victoria erst Familie gründen, und ein Mann mit so antiquiertem Frauenbild kann sich eine stillende Königin kaum vorstellen. Konstitutionelle Folgen bekommen Carl Gustafs vor zwei Jahrzehnten begangene Fehltritte nicht, sind sich die Medien einig und widmen der Krise der staatstragenden Sozialdemokratie weit mehr Aufmerksamkeit als den Wirren im Königshaus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.