Ukraine: "Eine kurze Euphorie"

Ukraine Eine kurze Euphorie
Ukraine Eine kurze Euphorie(c) EPA (Zurab Kurtsikidze)
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Die Orange Revolution in der Ukraine verpuffte.

Die Angst war spürbar. Nicht nur die damals 31-jährige Lida Kvitka (Name von der Redaktion geändert)war besorgt, dass es zu Gewalt kommen könnte, damals, am 22. November 2004. An die 250.000 Menschen hatten sich auf dem Unabhängigkeitsplatz von Kiew versammelt und protestierten gegen das Ergebnis der Stichwahl zum Präsidenten der Ukraine. „Es ging um Missbrauch unserer Werte durch Fälschung und Betrug“, erzählt Kvitka. Massiver Wahlbetrug soll das Ergebnis der Wahl zugunsten des prorussischen Kandidaten Viktor Janukowitsch gewendet haben.

Die Bewegung des westlich orientierten Kandidaten Viktor Juschtschenko hatte sich an die Spitze der Demonstranten gestellt. Mit orangen Schals und Bändern formierten sich seine Anhänger, um gegen die Vorfälle bei der Wahl zu protestieren. Lautstark. Aber friedlich. Und voller Euphorie. „Ich habe mich früher überhaupt nicht für Politik interessiert“, erzählt Kvitka. „Aber damals wurde Information für uns wichtig. Und es gab erstmals auch Medien, die objektiv berichtet haben.“


Gemeinsames Ziel. Bei aller Angst davor, dass es zu Ausschreitungen mit der Polizei kommen könnte, der rote Faden, der sich durch die Bewegung zog, war Begeisterung. In ihrer Erinnerung waren es vor allem die ersten Tage der Orangen Revolution, an denen ein gemeinsames Ziel spürbar war, die Aufbruchstimmung dominierte. „Zum ersten Mal in der Geschichte der Ukraine kämpfte man vereint und selbst organisiert“, erzählt sie. Es war ein höheres Ziel, das man verfolgte. Zuerst war man als Teil der Sowjetunion lange nicht sein eigener Herr, nach der Unabhängigkeit im Jahr 1991 dauerte es lange, bis man sich auf die eigenen Beine stellte.

Während auf der Straße demonstriert wurde, kam es zu einem Tauziehen zwischen Parlament und Oberstem Gericht, ob die Wahl nun gültig sei oder nicht. Und hinter den Kulissen fiel auch eine weitere Entscheidung – Spionagedienst und Armee stellten sich hinter die Demonstranten. Eine bereits in Marsch gesetzte Truppe des Innenministeriums, die die Demonstration auflösen sollte, zog sich wieder zurück.

Als am 8. Dezember, nach langem politischen Tauziehen, war schließlich der Weg für eine Neuaustragung der Wahl frei, es herrschte Jubel in Kiew. Zumindest bei den Anhängern des Bündnisses von Viktor Juschtschenko. Einige, die am Anfang noch mitdemonstriert hatten, waren nicht mehr ganz so euphorisch. So auch Lida Kvitka.

„Am Anfang war es eine positive Bewegung, dann wurde die Situation politisch missbraucht“, sagt sie. Schon ein halbes Jahr später, meint sie, sei die Euphorie dahin gewesen. „Man hat sich zu viele Hoffnungen gemacht.“ Und trotzdem – ganz umsonst sei die Revolution nicht gewesen. „Es herrscht jetzt ein größeres Bewusstsein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2011)

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