Nach 30 Jahren rollt die Polizei den Fall des verstorbenen Filmstars Natalie Wood neu auf. Welche Rolle spielte ihr Mann Robert Wagner? Die Gerüchte um ihren mysteriösen Tod verstummten nie.
Bei den Dreharbeiten zu „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ scherzte Natalie Wood gegenüber Regisseur Nicholas Ray: „Ich brauche schon eine Beruhigungstablette, nur um über eine Pfütze zu hüpfen.“ Die Phobie des Filmstars vor Wasser war legendär in Hollywood. Nur die wenigsten wussten indes, wie ihre Schwester Lana sagt, dass sie nicht schwimmen konnte. Als die Schauspielerin 1961 für den Film „Fieber im Blut“ („Splendour in the Grass“) an einem Stausee eine Schlüsselszene, einen Suizidversuch, drehen sollte, überkam sie eine Panikattacke.
Dass sie 20 Jahre später in einer regnerischen Nacht vor der Insel Santa Catalina, 35 Kilometer von der kalifornischen Küste, ausgerechnet im dunklen Meer, bekleidet mit einem blauen Nachthemd, einer Daunenjacke und Wollsocken, ein tragisches – und absolut filmtaugliches – Ende finden sollte, war eine üble Laune des Schicksals. Hollywood war geschockt vom frühen Tod der 43-Jährigen – einem Hochglanzprodukt der Traumfabrik.
Als Kinderstar hatte Natalia Zacharenko, die Tochter russischer Emigranten, ihre Karriere begonnen. Mit 16 Jahren begründete sie als Rebellin an der Seite von James Dean ihren Ruhm. Als Filmpartnerin – und Geliebte – Warren Beattys oder Steve McQueens avancierte sie zur Traumfrau. Drei Mal war sie für den Oscar nominiert, als Maria tanzte sie sich in der Verfilmung des Musicals „West Side Story“ in die Herzen des Publikums. Als sie am 2. Dezember 1982 bestattet wurde, waren Frank Sinatra, Gregory Peck, Fred Astaire, Gene Kelly und Laurence Olivier ihre Sargträger.
Die Gerüchte um ihren mysteriösen Tod verstummten indessen nie. War es ein Unfall, wie die Polizei feststellte? Fiel sie tatsächlich im Rausch von Bord? War es Selbstmord – oder war es gar Mord? Just kurz vor dem 30. Jahrestag jener ominösen Nacht an Bord der Jacht „Splendour“ rollt Sheriff John Corina den Fall neu auf. Dennis Davern, der Kapitän der „Splendour“, gab eine neue Aussage zum Verlauf der Todesnacht zu Protokoll. In dem Buch „Goodbye Natalie, Goodbye Splendour“ hatte er bereits vor zwei Jahren insinuiert, dass Robert Wagner – Woods Mann – nicht schuldlos am Tod seiner Frau sei. „Ist Robert Wagner nun ein Verdächtiger?“, lautete denn bei einer Pressekonferenz auch die erste Frage an Sheriff Corina.
Wagner und Wood galten als eines der Traumpaare Hollywoods, als „Prinz und Prinzessin“ titulierte sie die Klatschpresse. Als Teenager verehrte Wood den acht Jahre älteren Filmstar als ihren Schwarm. Sie heirateten, die Ehe zerbrach allerdings an einer Affäre Woods mit ihrem Ko-Star Warren Beatty, einem notorischen Womanizer. Wagner raste vor Eifersucht, wie er in seinen Memoiren „Pieces of my Heart“, schildert. Er lauerte Beatty sogar mit einer Pistole auf. Zehn Jahre nach der Scheidung – und nach der Scheidung von ihren jeweiligen zweiten Partnern – fanden Wood und Wagner 1972 erneut zusammen und feierten zum zweiten Mal Hochzeit. Ein Happy End à la Hollywood oder eines à la Liz Taylor und Richard Burton?
Während Wagner als TV-Serienheld („Hart, aber herzlich“) reüssierte, versank Natalie Wood in Alkohol und Depressionen. An der Seite von Christopher Walken hoffte sie in dem Science-Fiction-Thriller „Brainstorm“ auf ein Comeback. Zu dritt segelten Wagner, Wood und Walken 1981 Ende November mit der „Splendour“ in ein alkoholschwangeres, spannungsgeladenes Thanksgiving-Wochenende. Wood und Walken flirteten, bei einem Streit zerschmetterte Wagner eine Weinflasche und brüllte Walken an: „Willst du meine Frau ficken?“ Walken verzog sich in seine Kabine, während das Ehepaar Wood und Wagner nach Schilderung des Kapitäns einen lautstarken Krach hatten. Kurz darauf war Wood im Dunkel der Nacht verschwunden. Am Rettungsschlauchboot fanden sich Kratzspuren, ihr Körper wies Abschürfungen wie nach einem Sturz auf – und nur 0,14 Promille.
Auf einen Blick
Natalie Woods Tod. Die Polizei von Los Angeles rollt den mysteriösen Tod des Filmstars neu auf, der vor 30 Jahren nach einem turbulenten und alkoholträchtigen Thanksgiving-Wochenende an Bord der Jacht „Splendour“ vor der kalifornischen Küste ums Leben kam. Mit an Bord waren Ehemann Robert Wagner, Ko-Star Christopher Walken und Kapitän Dennis Davern, der mit neuen Aussagen Robert Wagner zumindest eine Mitschuld am Tod von Natalie Wood anlastet.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2011)