Nicolas Cage: "Ich leide nicht genug"

Nicolas Cage leide nicht
Nicolas Cage leide nicht(c) AP (Dave Allocca)
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Der Hollywood-Schauspieler drehte nach Oscar-prämierten Dramen wie "Leaving Las Vegas" vornehmlich Genre-Streifen. Mit der "Presse am Sonntag" sprach er über sein Seelenleben und seine Steuerschulden.

Nicolas Cage ist ein Mann der Extreme. Als Alkoholiker in „Leaving Las Vegas“ gewann er einen Oscar, aber inzwischen dreht er einen überdrehten Actionfilm nach dem anderen – wie aktuell „Ghost Rider 2“.


Es gab eine Zeit, da feierten Sie mit Dramen Erfolge, aber seit Jahren drehen Sie fast nur noch Genre-Filme. Woran liegt das?

Nicholas Cage: Für mich sind Genre-Filme eine Möglichkeit, abstrakte Themen zu behandeln und gleichzeitig ein großes Publikum zu erreichen. Und die Zuschauer sind mir nun mal wichtiger als die Kritiker. Außerdem kann ich als Schauspieler im Genre neue Möglichkeiten ausloten.

Haben Sie selbst schon „real“ etwas Übernatürliches erlebt?

Nur so viel: Ich habe mich schon einmal wie in „Twilight Zone“ gefühlt. Das war in New Orleans, deshalb lebe ich dort. Aber alles andere wäre zu persönlich.

Aber Sie haben hoffentlich keinen Pakt mit dem Teufel geschlossen wie der Ghost Rider.

Nehmen Sie das Bild vom Erzengel Michael. Den sehen wir in der Regel nur mit dem Teufel zusammen, weil einer den anderen bedingt. Wobei wir uns nicht an Wörtern wie „Teufel“ aufhängen sollten. Am liebsten sind mir Begriffe wie C.G. Jungs „Schatten“ – also die Seite des Unterbewussten, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, damit wir zur Ganzheit gelangen.

Welche von Jungs Schriften kennen Sie?

„Das Seelenproblem des modernen Menschen“ und einige seiner Schriften über Träume. Ich habe auch Mythenanalysen des Jung-Schülers Joseph Campbell gelesen. Sie haben mir in manchen Lebenslagen geholfen, denn Mythen sind nichts anders als Blaupausen für die Situationen des Lebens.

Wie hat Ihnen das geholfen?

Das ist eine sehr persönliche Sache, deshalb erwähne ich keine Namen. Aber die Art und Weise, wie König Arthur mit Verrat umgeht, ist sehr vorbildlich. Er konnte Lancelot verzeihen, der ihn mit seiner Frau betrogen hatte, denn er wusste, dass er zum falschen Zeitpunkt geheiratet hatte. Er musste sich mit wichtigeren Dingen als seiner Ehe auseinandersetzen. Und ich sehe durchaus Parallelen zu meinem eigenen Leben. Wobei ich nicht sagen will, dass ich so großartig wie König Arthur bin. Ich habe diesen Mythos eher in einem Jungianischen Sinn interpretiert.

Der Ghost Rider ist ein Ausgestoßener. Haben Sie sich auch einmal so gefühlt?

Ja. Als Jugendlicher war ich alles andere als populär. Ich hatte früher Schwierigkeiten, zu meinen Mitmenschen Kontakt aufzubauen, fühlte mich ganz anders als sie. Etwa, als ich als Kind vom Arzt untersucht wurde und danach völlig schockiert war, dass ich normale Organe und ein normales Skelett hatte. Ich war der festen Überzeugung, dass ich nicht von dieser Erde stammte.

Was hat Ihnen geholfen, endlich Verbindung zu Ihrer Umwelt aufzunehmen?

Eines Tages sah ich den Film „Der Mann, der vom Himmel fiel“. David Bowie spielt darin einen Außerirdischen, der an der Oberflächlichkeit und Brutalität der Gesellschaft zerbricht. Und ich begriff, dass ich nicht wie er enden wollte. Also beschloss ich, etwas dagegen zu unternehmen, und so wurde ich Filmschauspieler. Auf diese Weise war ich endlich fähig, diese ganze Entfremdung zu überwinden.

Aber bis dahin muss Ihr Leben doch eine Qual gewesen sein.

Zum Glück hatte ich durch meinen Vater, der Literaturprofessor war, die Welt der Fantasie für mich entdeckt. Er hatte ein Spiel für mich. Ich sollte mir vorstellen, ich sei ein Auslandskorrespondent, der in der Welt der Bücher lebte, und davon Reportagen schreiben. So verfasste ich „fehlende Kapitel“ zu „Moby Dick“ oder „Uhrwerk Orange“.

Und seither haben Sie die Sehnsucht nach dem Fantastischen?

Eindeutig. Es fällt mir sogar schwer, realistische Szenen zu spielen. Extreme Situationen sind mir viel lieber.

Aber in der Realität haben Sie Probleme mit Finanzangelegenheiten – wie Ihren Steuernachzahlungen.

Die banalen Dinge des Alltags sind ein echter Kampf für mich. Aber im Vergleich zu dem, was in der Welt geschieht, geht es mir doch richtig gut. Wenn ich mich schlecht fühle, dann denke ich an all die leidenden Menschen da draußen und sage mir: „Ich leide doch gar nicht genug.“

1964
Nicolas Cage kommt in Long Beach, Kalifornien zur Welt. Sein Vater, August Coppola, ist der Bruder von Regisseur Francis Ford Coppola.

1982
Sein Leinwanddebüt gibt er mit der Komödie „Ich glaub, ich steh im Wald“, der Durchbruch gelingt Cage an der Seite von Cher in „Mondsüchtig“ und dem David-Lynch-Roadmovie „Wild at Heart“.

1996
Oscar als bester Hauptdarsteller im Film „Leaving Las Vegas“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2012)

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