Franca Sozzani: Frank und frei

Sie ist eine der einflussreichsten Mode-Visionärinnen der Gegenwart. Nun entdeckt Franca Sozzani ihre soziale Ader und wird selbst kreativ.

Es ist zwar gefährlich, mit apodiktischen Superlativen um sich zu werfen, doch eines steht fest: Kein Modemagazin auf der Welt kann der „Vogue“ das Wasser reichen; zugleich ist der Magazintitel längst Teil der Populärkultur und wurde vor Kurzem wieder von Madonna bei ihrem Superbowl-Spektakel besungen. Unter den verschiedenen Ausgaben der Zeitschrift gilt die „Vogue Italia“ als Speerspitze der wagemutigen Avantgarde. Zu verdanken ist dies der Vision von Franca Sozzani, die dem Magazin seit 1988 vorsteht. Auch, wenn die Norditalienerin ab und an Prada tragen dürfte – ein diabolischer Ruf eilt ihr nicht voraus.

Heuer kommen Sie als Mode-Schirmherrin zum Life Ball nach Wien und zeichnen für die Best-of-Modeschau verantwortlich. Kennen Sie die Veranstaltung eigentlich?

Natürlich, schon lange. Schließlich bin ich auch in Italien in Aids-Charity-Initiativen involviert und nehme weltweit an Projekten teil.

Mode und soziales Engagement sind also ein gutes Paar?

Ganz und gar. Man kann nicht in der Mode aufgehen und auf gesellschaftliche Anliegen vergessen, die es zu verfolgen gilt. Dabei kann die Mode als Mittel dienen, um neue Projekte ins Leben zu rufen. Und sie eröffnet natürlich Finanzierungsoptionen, weil sie den Anreiz bietet, eines der Phänomene mit dem größten Medieninteresse zu sein. Außerdem kann Mode Beschäftigung in strukturschwache Gegenden bringen, besonders Frauen mit einem Grundeinkommen ausstatten. Das ist der Gedanke hinter der UNO-Initiative „Fashion for Development“, bei der ich mich persönlich engagiere.

Wollen Sie die ganze Branche umkrempeln?

Natürlich nicht. Aber ich will dazu beitragen, dass die Mode auch in Regionen zum Wirtschaftsfaktor wird, in denen das bislang nicht der Fall war. Schauen Sie sich China an oder Brasilien – nichts spricht dagegen, dass in Afrika ähnliche Entwicklungen stattfinden könnten.

Andererseits erwarten sich die Konsumenten oft, dass alles, was aus diesen neuen Ursprungsländern kommt, besonders günstig zu haben ist, wodurch sich Globalisierungsvorstöße als zweischneidiges Schwert entpuppen können.

Das stimmt schon, diesen Aspekt muss man mitbedenken. Irgendwo muss man aber anfangen, wenn man für mehr Wohlstand in armen Ländern sorgen will. Nicht zuletzt gilt es, den Heimatmarkt in Ländern wie China oder Brasilien einzukalkulieren, wo ein bestimmtes Preisniveau gehalten werden muss. Wichtig ist der Aufbau eines ordentlichen Vertriebsnetzes, die Entwicklung nachhaltiger Strukturen und die Einhaltung von Fair-Trade-Prinzipien.

Sie betreiben auch den viel beachteten Editor’s Blog auf Vogue.it – ein weiterer Kanal für Ihre gesellschaftlichen Anliegen?


Auf jeden Fall, und ich lege großen Wert darauf, nicht nur oder nicht einmal in erster Linie über Mode zu sprechen. Nein, auf meinem Blog schreibe ich über ganz andere, weiter gefasste Themen, die uns alle angehen und interessieren.

Die Homepage ist die menschlichere Version des Luxusmagazins, kann man das so sagen?

Genau so sehe ich das, unsere Homepage ist offener, demokratischer, kommunikativer, wenn Sie so wollen. Die Leser kommen auf mich zu und ich auf sie. Es gibt da auch weniger Schwellenangst. Darum ist um die Seite und im Speziellen um meinen Blog eine ganz spezifische Community entstanden; mit manchen meiner Aussagen ecke ich auch an, und dann gibt es eben negative Reaktionen. Wichtig ist in jedem Fall der unmittelbare Kontakt zu den Lesern; sie verstehen zu lassen, dass die berüchtigte „Vogue“-Chefredakteurin auch nur ein Mensch ist, und kein stilbesessenes Monster.

Sind die Community und die Leserschaft des gedruckten Magazins mehr oder weniger deckungsgleich?

Fifty-fifty. Manche kaufen die „Vogue“ gar nicht, andere haben wegen der Homepage angefangen, auch das Magazin zu lesen, und andere haben die „Vogue“ ohnehin wegen ihres Images gekauft und lesen die Homepage aus demselben Grund auch. Manche finden in der Onlineversion das, was ihnen andere Magazine bieten, die, sagen wir einmal, serviceorientierter sind und Geschichten bringen wie „Wie bekomme ich meinen Mann zurück, wenn er mich verlassen hat?“ Online wie offline bestimmt aber eine Kombination aus Risikobereitschaft, Kreativität und Qualität die Inhalte der „Vogue Italia“.

Um Provokation im engeren Sinn geht es nicht?

Die Provokation ist Teil der Risikobereitschaft und auch der Kreativität, weil es natürlich darum geht, neue Wege zu finden, sich abseits ausgetretener Pfade zu bewegen, und manche stößt das eben vor den Kopf. Dabei halten wir aber immer ein bestimmtes Qualitätsniveau, und wenn ich eine Black Issue mache oder nach der BP-Ölkatastrophe im Golf von Mexiko einen ölverklebten Pelzmantel am Cover gezeigt habe, dann war das nicht platte Provokation, sondern wir greifen eben Themen auf, die in aller Munde sind und geben mit unseren Mitteln einen Kommentar ab. Die „Vogue“ muss auf ihre Weise ihrer Zeit verhaftet sein: Die Mode ist so schnell geworden, dass diejenigen verlieren, die nur den Trends nachhecheln. Was zählt, sind Konzepte, die länger gültig sind.

Hat sich die Wahrnehmung Ihrer Person verändert, seit Sie bloggen?

Wahrscheinlich schon. Wenn wir die Fashion’s Night Out machen oder die Türen der Redaktion öffnen, tun sich die Menschen leichter, auf mich zuzugehen. Dasselbe merke ich, wenn ich zum Beispiel im Fashion Institute of Technology in New York einen Vortrag halte. Ja, das hat wohl wirklich damit zu tun, dass mich die Leser durch den Blog als zugänglicher empfinden.

Das ist ja kein isoliertes Phänomen, Moderedakteurinnen sind in den letzten Jahren zu Celebritys geworden: Die eine wird zur Hauptfigur eines Romans und seiner Verfilmung, die andere, wie Anna dello Russo, wird von H&M eingeladen, eine Kollektion zu entwerfen. Was bedingt denn dieses Interesse der Menschen an den Menschen in den Redaktionen?


Dasselbe, was ich vorher schon erwähnt habe: Die Mode ist in Bausch und Bogen eines der medial meistaufbereiteten Themen, und das bedeutet, dass sich auch Menschen für das Phänomen Mode interessieren, denen das Objekt Mode relativ egal ist. Dieses Interesse ist übrigens nicht einmal neu. Neu ist nur die Geschwindigkeit, mit der sich Informationen verbreiten. So wird auch das Interesse potenziert, weil alle glauben, dass sie mitmachen und mitreden können. Übrigens finde ich das sehr positiv.

Für den Life Ball sind auch Sie unter die Designer gegangen. Was war denn Ihre Vorüberlegung bei der Gestaltung des Life-Ball-Minis?


Ich habe mir die Ausfahrt eines Paars in einem offenen Auto vorgestellt, bei der die Frau ein geblümtes Foulard um den Kopf gewickelt hat. Eine leichte, unterhaltsame, kleine Episode. Das war einmal etwas anderes und hat mir eigentlich Spaß gemacht.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.