Spanien: „Prinzessin Ahnungslos“ vor Gericht

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In Spanien hat heute der "Jahrhundert-Prozess" gegen Infantin Cristina, die Schwester von König Felipe, begonnen.

Es ist der Tag, den Spaniens Königshaus lang gefürchtet hat: Heute hat der Prozess gegen Prinzessin Cristina, die Schwester von König Felipe, sowie ihren Ehemann Inaki Urdangarin und 16 weitere Angeklagte in Palma de Mallorca Platz begonnen. Die Infantin auf der Anklagebank: Es ist ein Bild, das um die Welt geht. Und das dafür steht, dass die in Spanien verbreitete Korruption und Selbstbereicherung vieler Amtsträger offenbar auch vor dem Königshof nicht halt machen – wenigstens nach Meinung der Ermittler, die der 50-Jährigen vorwerfen, mit ihrem drei Jahre jüngeren Ehemann, Iñaki Urdangarin, öffentliche Gelder ergaunert und Steuern hinterzogen zu haben.

Das Interesse an dem Jahrhundertprozess, wie ihn spanische Medien tauften, ist so groß, dass die Strafkammer des Landgerichts Palmas umgezogen ist: in einen Veranstaltungssaal im Industriegebiet der Inselhauptstadt gegenüber von Mallorcas Gefängnis. Mehr als 600 Journalisten wolletn berichten, wie Cristina, ihrem Mann und weiteren Angeklagten der Prozess gemacht wird. Ein Verfahren, in dem noch peinliche Details auftauchen könnten.

Erstmals steht ein Mitglied der Königsfamilie, die früher zu den angesehensten Royals der Welt gehörte, vor Gericht. Es ist der Höhepunkt fünfjähriger Ermittlungen, die den Ruf der Monarchie schädigten. Als Folge räumte König Felipe (47), der 2014 seinem Vater, Juan Carlos, auf den Thron folgte, am Hof auf und versprach eine „erneuerte Monarchie“: Er distanzierte sich von seiner Schwester, entzog ihr den Titel Herzogin von Palma de Mallorca und verbot ihr, das Königshaus zu repräsentieren.

Königliche Lobbyfirma

Ermittlungsrichter José Castro füllte gut 25.000 Aktenseiten. Im Zentrum steht die angeblich gemeinnützige Stiftung Nóos, die von Urdangarin und seinem Geschäftsfreund Diego Torres gegründet wurde. Im Vorstand saß Cristina als Beirat. Doch die Stiftung diente laut den Ermittlern primär persönlicher Bereicherung und war eher eine Lobbyfirma, die königlichen Einfluss gegen Geld bot. Cristina sei Aushängeschild der Stiftung gewesen sei, um an Geld zu gelangen.

Allein von den Regionalregierungen Mallorcas, Valencias und Madrids sollen mehr als sechs Millionen Euro an Nóos gezahlt worden sein, die wenig mehr getan haben soll, als ein paar Telefonate zu tätigen und für „Beratungsdienste“ eine kräftige Rechnung zu schicken. Auch Firmen bedienten sich des königlichen Lobbyvereins. Doch im Prozess geht es nur um Steuergeld in Millionenhöhe, das Urdangarin & Co. sich mithilfe von Politikern und Beamten erschlichen haben sollen. Unter den 18 Angeklagten ist auch der Ex-Regierungschef der Balearen, Jaume Matas.

Der frühere Handball-Nationalspieler Urdangarin und Torres müssen sich wegen Betrugs, Unterschlagung, Dokumentenfälschung, Geldwäsche und Steuerhinterziehung verantworten. Sie gelten als Strippenzieher jenes Firmennetzes, mit dem die öffentlichen Gelder kassiert, über ausländische Konten gewaschen und Betriebsgewinne am Fiskus vorbeigeschleust worden sein sollen. Ihnen drohen bei einer Verurteilung bis zu 19 Jahre Haft. Castro nannte Cristina „Komplizin“. Ihr und Urdangarin gehörte noch die Scheinfirma Aizoon, die Einnahmen verwaltete und dem Steuerbetrug gedient haben soll. Castro wirft Cristina Beihilfe zum Betrug vor: Sie habe „zu ihrem Vorteil“ mitgemacht und geholfen, dass ihr Mann sich bereicherte.

„Schutzschild“ vor Finanzamt

In der Tarnfirma seien Rechnungen gefälscht worden, um Steuern zu vermeiden. Privatausgaben des Paares für Partys, Reisen und die Villa in Barcelona seien als Geschäftsausgaben verrechnet worden. Auch sei Schwarzgeld geflossen. Die Prinzessin sei „Schutzschild“ vor dem Finanzamt gewesen, um Prüfungen zu verhindern.

Trotz allem gibt sich die Staatsanwaltschaft großzügig: Sie möchte sogar die Anklage gegen die Infanta, wie die Prinzessin genannt wird, am liebsten fallen lassen; der Staatsanwalt hat nämlich stets eine Anklage Cristinas abgelehnt, doch sie wurde vom U-Richter in Teilen durchgesetzt. Der Widerstand mag auch damit zusammenhängen, dass Regierung und Königshaus alles getan haben sollen, eine Verurteilung Cristinas zu vermeiden. Diese erreichte vor einem anderen Gericht, dass der Vorwurf der Geldwäsche entfiel. Nun wird sie nur noch wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt. Doch da der Staatsanwalt auch das nicht als Delikt werten und für Freispruch plädieren will, könnte die Prinzessin noch glimpflich davon kommen.

„Dem Gatten blind vertraut“

Schon bei ihrem Verhör vor dem U-Richter Anfang 2014 hat sie erklärt, dass sie unschuldig sei, nichts geahnt und „dem Gatten blind vertraut“ habe. Die Vernehmung ließ sie wortkarg über sich ergehen. „Weiß ich nicht“, „Ist mir nicht bekannt“ und „Ich erinnere mich nicht“ waren Standardantworten, hieß es danach. Das bescherte der Infanta den Beinamen „Prinzessin Ahnungslos“.

ZUR PERSON

Cristina Federica Victoria Antonia de Borbón y Grecia (*1965) ist eine Tochter des vormaligen Königs, Juan Carlos I., von Spanien und Sophia von Griechenland und als Königskind laut spanischem Usus Infantin. Sie studierte in den 1980ern Politikwissenschaft und später Internationale Beziehungen und war zeitweise bei der Unesco tätig. 1997 heiratete sie Iñaki Urdangarin, Ex-Handballspieler des FC Barcelona; das Paar hat vier Kinder, die alle in Barcelona geboren sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2016)

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