Die Un-Zeit oder: Warum wir im Herbst die Uhr vielleicht nur eine halbe Stunde zurückstellen.
Als Zeitung das Sommerloch zu thematisieren ist aus zwei Gründen ungeschickt: Erstens signalisiert man damit Redundanz. Zweitens handwerkliche Mängel. Denn es gibt mehrere alte Journalistenregeln, die im Sommer zur Anwendung kommen. Berichten, wenn etwas los ist, kann schnell einmal jemand zum Beispiel. Oder: Es ist immer genau so viel los, wie Platz in der Zeitung ist. Und: Wann hat man mehr Zeit, um Zeitung zu lesen, als im Urlaub?
So haben wir jüngst erfahren, dass Jennifer Aniston wahrscheinlich geheiratet hat. Wir alle lieben Jennifer Aniston, vor allem auch als diejenige, die sich vergeblich nach Brad Pitt verzehrt. Es gab uns irgendwie ein gutes Gefühl, diese ewige unerfüllte Liebe. Das mit der Hochzeit ist jetzt ein bisserl unromantisch.
Dazu gibt es laut Berichten in den USA und auch auf Mallorca afrikanische Riesenschnecken, die bis zu 18 Zentimeter groß werden, alles fressen, was ihnen in den Weg kommt, und deshalb auch viele ansteckende Krankheiten mit sich herumschleppen. Die Schnecke ist in ihrem Potenzial als Phobietier überhaupt grenzenlos unterbewertet. Alle Welt ekelt sich vor Spinnen, Schlangen, Würmern, Gottesanbeterinnen, Ratten sogar, aber wie grauslich eigentlich eine Schnecke bei näherem Hinsehen ist, wird irgendwie nie thematisiert.
Und was den Sommer angeht, hat der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un einmal eine wirklich brauchbare Idee. Diesmal muss zur Abwechslung einmal nicht ein Onkel oder Minister daran glauben. Nein, Kim will die Uhren in Nordkorea um eine halbe Stunde zurückstellen lassen. Auf die „echte“ koreanische Zeit sozusagen, denn während der japanischen Kolonialherrschaft zwischen 1910 und 1945 wurden die Uhren um eine halbe Stunde auf japanische Zeit vorgestellt.
Nun sollen anlässlich des 70. Jahrestags des Endes der japanischen Besetzung die Uhren wieder zum richtigen Gehen gebracht werden. Das wäre auch für Österreich eine Superidee. Wir stellen im Herbst die Uhren nicht eine ganze Stunde auf Winterzeit zurück, sondern nur um eine halbe Stunde. Und lassen sie dann so. Als Kompromiss. Für alle – ja – Zeit. Statt Sommer- und Winterzeit quasi die Un-Zeit.
Sie merken schon, von Sommerloch kann wirklich keine Rede sein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2015)