Amazon vs. Christkind

Amazon vs. Christkind oder: Warum es beim Schenken vor allem ums Auspacken geht.

Viel ist vom Schenken die Rede in dieser Ausgabe Ihrer bevorzugten Sonntagszeitung. Und gegen Ende Advent sowieso. Dabei verdankt Weihnachten seine große Beliebtheit nicht dem Schenken an sich, sondern dem Schenken von verpackten Gegenständen. Die gewagte These: Erst das Packerl macht die Bescherung zur Bescherung. Wie wichtig diese Unterscheidung ist, merkt man immer erst dann, wenn ein Gegenstand zu groß ist, um ihn einzupacken. Oder die Form zu charakteristisch (Ski), um durch die Verpackung zu verschleiern, was denn da verschenkt wird.

Doch um Packerln zu bekommen, warten wir längst nicht mehr auf den 24. Dezember. Amazon und Co. sorgen dafür, dass das ganze Jahre über Weihnachten, Geburtstag und Ostern auf einmal ist. Dabei gibt es zwei interessante Aspekte: Die Auspackfreude stellt sich auch dann ein, wenn man das Paket selbst bestellt hat. Denn obwohl man die Sache, die man online ausgesucht hat, in der Regel auch bezahlt, hat man sie ja davor oft physisch noch nicht in Händen gehalten. Außerdem ist auch die Art der Verpackung, je teurer der bestellte Gegenstand desto aufwendiger und damit umso vergnüglicher beim Öffnen, oft mindestens so erfreulich wie das Produkt an sich. Im Idealfall freut man sich über das Bestellte wie über ein Geschenk von jemandem anderen. Nur dass man immer den Geschmack des Beschenkten trifft.

Der zweite bemerkenswerte Aspekt: Früher, als man Briefe noch überwiegend vom Briefträger bekommen hat und nicht vom Outlook, war einen Brief zu öffnen (also einen richtigen, keine Rechnungen oder Werbung) schon etwas ganz Besonderes. Ein Paket aber immer ein echtes Highlight. Dann kam wegen der elektronischen Post die Krise der Gelben. Postamt um Postamt hat zugesperrt.

Und nun führt das Bestellen via Internet plötzlich dazu, dass die übrig gebliebenen Postämter überlaufen sind und Paketdienste aus dem Boden wachsen wie nicht einmal die Schwammerln. Will man auf die Post, steht man dort meist hinter (weiblichen) Schlangen, die Zalando-Pakete zurückschicken (Männer behalten ihre Technik-Gadgets ja in jedem Fall).

So gesehen könnte der romantische Wunsch, sich zu Weihnachten mehr auf den Anlass zu konzentrieren, eine neue Chance bekommen: Packerln gibt es eh das ganze Jahr!

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2015)

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