Die Jagd nach dem Street Style Wo die Straße der Laufsteg ist

Xandra Linsin
Xandra Linsin(c) Xandra Linsin
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Wahlwienerin Xandra Linsin macht Street-Style-Bilder auf Europas Modewochen. Zu sehen in Magazinen – und an der Wand von Foto Leutner.

Längst gibt es eigene Anleitungen, die erklären, was man tun muss, um von einem Street-Style-Fotografen fotografiert zu werden. Etwa: Auf den Eingang zurennen, als ob man eine Einladung hätte. „Zehn Minuten später“, sagt Xandra Linsin lachend, „kommt dann das gleiche Gesicht wieder an dir vorbei.“ Beliebt sei auch die fotogene „Ich ruf' mir ein Taxi“-Pose: ein Arm in der Höhe, ein Bein in der Luft. Und ein Taxi weder in der Nähe noch wirklich gebraucht.

Es ist eine eigene Welt, die sich da rund um den Modezirkus entwickelt hat, seit im Gefolge von Scott Schuman (er gründete 2005 „The Sartorialist“) Modeblogger und Fotografen entdeckt haben, dass es nicht nur Laufstege und Hochglanzfotos gibt. Sondern auch ein Drumherum. Eine echte Welt, und echte Menschen, die Mode tragen. Wobei echt inzwischen schon wieder sehr relativ ist. „Mittlerweile ist es so, dass sich manche Fotografen total aufstylen, weil sie selbst fotografiert werden“, berichtet Xandra Linsin.

Die deutsche Fotografin, die zwischen Zürich (wo sie sich mit Model Werner Schreyer ein Atelier teilt) und Wien (wo ihr Freund lebt) pendelt, mischt sich seit Jahren unter die immer größer werdende Menge, die rund um die Modewochen die einzelnen Locations in London, Mailand und Paris bevölkert. „Hunderte von Leuten, Fotografen liegen da auf der Lauer.“ Dabei entstehen Bilder von Prominenten und Models, Journalisten und Bloggern, die selbst längst zu Prominenz geworden sind. Einige ausgewählte Aufnahmen Linsins sind derzeit in Großformat an der Außenwand des Wiener Fotolabors Leutner in der Kaiserstraße zu sehen: Ein russisches Model mit Apfel auf der Straße, am Rande einer Pariser Valentino-Show. Oder Susie Bubble, Modebloggerin der ersten Stunde, aufwendig gestylt vor Prada in Mailand.

Jane Birkin und Anna Wintour

Bei einem Kaffee in der nächstgelegenen Aida-Konditorei packt die 36-Jährige den Laptop aus und zeigt, worauf sie (zu Recht) stolz ist. Jane Birkin, die nach einer Hermès-Show in ein Café verschwindet und auf ihr Rufen noch einmal verschmitzt nach draußen schaut, während sie mit dem Mantel ihren Kopf vor dem Regen schützt. Anna Wintour, von der man sonst nie Fotos kriegt. „Es hat geschneit und geregnet“, erzählt Linsin. „Ich habe sie gerufen, sie hat erstaunt hochgeblickt – und gelächelt.“

Zum Geschäft ist der Modezirkus für Linsin durch Zufall geworden. Begonnen hatte sie mit einem Fotostudium in Bielefeld. Via London kam sie an die Zürcher Hochschule der Künste. Das Geld war immer knapp, die Kollegen nicht an kommerziellen Jobs interessiert. „Also sind alle an mich gegangen“, lacht sie. Bei einem wurden Kunden im Kaufhaus umgestylt. „Da hab' ich gelernt, schnell zu fotografieren.“ Später in London, wo Freundinnen Designerinnen geworden waren, begann sie Backstage-Fotos zu machen. „Ich hielt es für eine Goldmine: Alle sehen super aus, und ich konnte damit mein Portfolio aufpimpen.“ Ziemlich genau zu jener Zeit kamen auch die Street-Style-Blogs auf. „Oft war deren Bildmaterial ziemlich schlecht. Also hab ich mir gedacht: Das ist meine Lücke.“

Heute ist Linsin zweimal pro Jahr einen Monat lang unterwegs. Magazine wie „Elle“ oder „Harper's Bazaar“ kaufen ihre Bilder, die New Yorker Fotoagentur Trunk Archive vertreibt sie weltweit. „Als deren E-Mail reinkam“, sagt Linsin und lacht wieder, „dachte ich, es wäre Werbung. Ich habe es erst nach ein paar Tagen angeschaut.“ Anstrengend sei der Job allemal. Sie schlafe in dieser Zeit nur drei oder vier Stunden pro Nacht, sagt Linsin. „Das geht, aber danach bin ich komplett ausgelaugt.“ Kollegen müssten in diesem Stil bis zu 70 Styles pro Tag liefern. „Da kannst du gar kein schönes Foto machen.“ Sie selbst ist nicht auf der Jagd nach den teuersten Labels, den neuesten Trends. „Mir ist eigentlich egal, was die Leute tragen. Hauptsache, das Bild, der Moment passt.“

ZUR PERSON

Xandra M. Linsin (36) wurde im süddeutschen Lörrach geboren und studierte Fotografie in Bielefeld, am Central Saint Martins College in London und an der Zürcher Hochschule der Künste. Sie arbeitet als Fotografin u. a. für Architektur- und Modemagazine. Daneben liefert sie Street-Style-Fotos aus den europäischen Modemetropolen. Einige ihrer Bilder hängen seit dieser Woche mehrere Monate lang an der Außenwand von Foto Leutner, Kaiserstraße 58. Linsin lebt in Zürich und Wien. www.allezxandra.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

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