Belvedere: Sakral-Erotisches mitten in der Adelswelt

(c) Schloss Schönbrunn
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Die höfische Gesellschaft ist wieder zurück im Winterpalais: Dort hängt jetzt eine große Personale des barocken Hofmalers und Porträtisten Martin van Meytens, des Jüngeren. Er war ein Liebling von Kaiserin Maria Theresia.

Es war ein scharfer Kontrast, als die Werke zeitgenössischer Künstler in den herrschaftlichen Räumen in der Himmelpfortgasse gastierten. Jetzt geht es wieder harmonisch zu in Prinz Eugens hochbarockem Winterpalast. Denn das Belvedere hat hier dem Hofmaler und Porträtisten Martin van Meytens, dem Jüngeren, eine große Personale eingerichtet. Die höfische Gesellschaft Wiens scheint wieder eingezogen zu sein. Großformatig hängt sie an den punkvollen Wänden: die kaiserliche Familie, immer wieder Maria Theresia zu Pferd, auf dem Thron, als Braut, aber auch Freiherren, Grafen und Fürsten. Je wichtiger die Person, desto größer das Format, mit minuziöser Feinmalerei des prächtigen Gewands.

Es ist die erste monografische Schau des Protestanten in Wien. Meytens entstammt einer Malerfamilie. Das war früher durchaus üblich, berühmt sind die Familien Brueghel oder die Verbeecks, in deren Werkstätten über mehrere Generationen bisweilen schwer zu unterscheidende Bilder entstanden.

Er förderte Franz Xaver Messerschmidt

Martin van Meytens, 1695 in Stockholm als Sohn eines niederländischen Porträtmalers geboren, wurde zunächst in der Malschule seines Vaters ausgebildet. Bald führte ihn seine Ausbildung nach England, später nach Paris, bis er 1721 erstmals, 1731 dann endgültig nach Wien kam.

Schon lange beauftragte ihn der Hochadel, der schwedische König und auch der russische Zar suchten ihn in ihre Dienste zu nehmen. Aber Meytens entschied sich für Wien, nicht zuletzt wohl, weil Kaiser Karl VI. dem Maler eine ausführliche Studienreise durch Italien gewährte. 1732 wurde er dann zum kaiserlichen Hofmaler bestellt. In den vier Jahrzehnten seines Dienstes entdeckte er das Talent des jungen Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt (bekannt durch seine grotesken „Charakterköpfe“) und protegierte ihn. 1743 erhielt er das kaiserliche Privileg zur Errichtung einer Farbenfabrik, wurde zum Direktor der Wiener Kunstakademie ernannt – und war vor allem der „Liebling der großen Kaiserin Maria Theresia“, wie es 1870 in einem Artikel anlässlich seines 100. Todestages in der Zeitung „Das Vaterland“ hieß. Die Kaiserin schenkte ihm sogar ihr Lusthaus in der Hechtengasse 3 in Wieden, das er zum Atelier umbauen ließ. Gern und oft besuchte ihn die Kaiserin und „entfernte sich durch die rückwärtige Gartenthüre“, schreibt der damalige Verfasser im „Vaterland“. Dort wird auch angemerkt, dass Meytens „den größten Theil seines Vermögens“ mit seinen chemischen Versuchen in der Farbenfabrik eingebüßt hat. Über seinen malerischen Stil wird kein Wort geschrieben, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass sein Stern als Maler damals nicht mehr so stark leuchtete. Man hatte ihn später mitverantwortlich gemacht für den Niedergang der Akademie, auch wenn dies wohl eher mit „den im Lehrkörper entstandenen Lücken zu erklären“ sei, wie der Kurator der Ausstellung, Georg Lechner, im Katalog erklärt. Kritisiert wurden auch in den vielen „Meytenschen Zopf- und Perückenstücken“ („Naglers Kunstlexikon“) die unnatürliche Haltung der Figuren, denen ein individueller Ausdruck fehle, ein anderer spricht sogar von „schwulstiger Barockmanier“ mit einem „brutalen, gefühllosen Kolorit“, was später wieder als „delikate Farbigkeit“ relativiert wird – Geschmack ist eben eine Modefrage.

Wie auch immer heute Meytens' Stil wahrgenommen wird, beeindruckend ist sicher seine technische Perfektion und Detailgenauigkeit. Diese Bilder erzählen viel über die Porträtierten: In dem Familienbildnis Nikolaus Palffy von Erdöd sehen wir die Eltern mit fünf Kindern, dazu zwei Hunde, die damals als Symbol der Treue galten, und ein Lamm als Symbol der Unschuld. „Erzherzog Joseph (II.) als Kleinkind“ mag zwar für uns wie ein Erwachsener in Minigröße erscheinen, aber er spielt mit der Collane des Ordens vom Goldenen Vlies – ein Hinweis auf sein junges Alter. Der Erzherzoghut an der Rückenlehne verweist auf seinen hohen Stand.

Und dann hängt zwischen all diesen steifen Aristokraten plötzlich eine Überraschung. 1731 malte Meytens „Die betende Nonne“. Eine junge Nonne kniet im Gebet, rechts im Bild schaut eine Figur durch ein vergittertes Fenster hinein. Auf der Rückseite des Bildes sehen wir dann, was diese Figur sieht: das nackte Gesäß der Nonne. Solch ein Ausflug in die Welt des Sakral-Erotischen ist aber die Ausnahme in der sonst streng nach höfischer Etikette gemalten Welt Meytens'.

Winterpalais, bis 8.Februar 2015

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2014)

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