Wimbledon: Die Geschwisterliebe ruht nie

(C) Gepa
  • Drucken

Im Achtelfinale von Wimbledon kommt es zum bereits 26. Aufeinandertreffen zwischen Serena und Venus Williams. Konkurrenzdenken ist den beiden Schwestern fremd. „Eine Williams wird gewinnen.“

Oakland, Kalifornien, im Oktober 1994. In der ersten Runde des WTA-Turniers kommt es zu einem rein nordamerikanischen Duell. Shaun Stafford, 25, trifft dabei auf Venus Williams. Die 14-jährige Williams gilt als ausgesprochen talentiert, als Versprechen für die Zukunft. Tatsächlich schlägt das Mädchen mit den langen Beinen die Filzkugel beeindruckend sauber und hart, sie hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Williams gewinnt ihr erstes Profispiel mit 6:3 und 6:4, im Achtelfinale nimmt sie der damaligen Nummer zwei der Welt, der Spanierin Arantxa Sanchez-Vicario, einen Satz ab.

21 Jahre später gibt es das Turnier in Oakland nicht mehr, Venus Williams aber immer noch. Die Rolle des unbekümmerten Teenagers ist Geschichte, mit mittlerweile 35 Jahren ist Williams die älteste Teilnehmerin in der Damenkonkurrenz von Wimbledon. Die Rechtshänderin kann auf eine ebenso bewegende wie erfolgreiche Karriere zurückblicken, sie gewann sieben Grand-Slam-Einzeltitel, natürlich war sie auch die Nummer eins. Mit Wimbledon verbindet Williams ihre schönsten Erinnerungen, an der Church Road triumphierte sie fünfmal, zuletzt 2008. Auf dem heiligen Rasen hält sie bei imposanten 76 Siegen, nur Martina Navratilova (120) und Chris Evert (96) gewannen noch öfter.

Liebend gern würde sie heute ihren 77. Sieg bejubeln (live in Sky) und die obligaten Kusshände an das Publikum verteilen, doch die Aufgabe könnte schwieriger und unangenehmer nicht sein. Die Konkurrentin um den begehrten Platz im Viertelfinale ist Venus jüngere Schwester, Serena. Die 33-Jährige ist das Nonplusultra im Damentennis, triumphierte heuer bereits bei den Grand-Slam-Turnieren in Melbourne und Paris. In London visiert sie dieser Tage ihren 21. Major-Titel an. Wenn Venus über Serena spricht, dann nur in den höchsten Tönen. Andersherum verhält es sich genauso. Man respektiert und liebt einander, als Schwestern und als Kolleginnen, hat schon unzählige Trainingsspiele bestritten. 25 Matches waren von wirklicher Bedeutung, im direkten Vergleich führt Serena mit 14:11.

Keine Kampfansagen

Mit den Jahren hat Serena ihrer älteren Schwester an Erfolgen und Strahlkraft den Rang abgelaufen, sie im Zeitraum vom Frühjahr 2002 bis zum Jahresbeginn 2003 sogar in allen vier Grand-Slam-Endspielen besiegt. Jahre später bremsten Venus zunehmend gesundheitliche Probleme. 2011 wurde eine Autoimmunkrankheit diagnostiziert. Das Sjörgen-Syndrom greift Körperdrüsen an und verursacht zudem Gelenksschmerzen und Müdigkeit. Die Krankheit ist unheilbar, mit einer radikalen Ernährungsumstellung hat sie Venus, die sich fast ausschließlich vegan ernährt, aber in den Griff bekommen. „Ich freue mich unheimlich für Venus, sie hat so viel durchgemacht“, sagt Serena, die von den spielerischen Qualitäten ihrer älteren Schwester nach wie vor angetan ist. „Sie ist besser in Form als ich, eine echte Bedrohung.“

Auch nach 21 Jahren Profitennis hat Venus noch Spaß am Training, „es ist ein einfach ein großartiger Job“. Zur Seite steht ihr meist Serena, ihre Seelenverwandte und beste Freundin. Echtes Konkurrenzdenken ist beiden fremd. Wer Kampfansagen erwartet, wird enttäuscht. „Das wird ein interessantes Spiel“, meint Venus mit zurückhaltender Freundlichkeit. „Wir werden auf dem Platz alles geben. Wenn es vorbei ist, geht unser gewöhnliches Leben weiter“, sagt Serena und ergänzt: „Venus ist heute meine Schwester. Sie ist es nächste Woche. Und sie ist es nächstes Jahr. Ich denke, das ist ein bisschen wichtiger als ein Match.“

Überraschend verabschiedet hat sich Titelverteidigerin Petra Kvitova. Die als Nummer zwei gesetzte Tschechin unterlag in der dritten Runde Jelena Janković (SRB-28) 6:3, 5:7, 4:6. Kvitova gab dabei eine 4:2-Führung im zweiten Satz aus der Hand. „Schwer zu erklären, was da passiert ist“, meinte die zweifache Wimbledon-Siegerin. Janković, 2008 noch Weltranglistenerste, feierte ihren größten Sieg seit vielen Jahren. „Ich bin überwältigt, mein Herz schlägt noch immer schnell“, sagte die 30-Jährige, die heute gegen Agnieszka Radwanska (POL-13) um den erstmaligen Einzug ins Viertelfinale spielt.

AUF EINEN BLICK

Das 26. Williams-Duell gibt es heute im Wimbledon-Achtelfinale zu sehen: Venus Williams, mit 35 die älteste Spielerin der Damenkonkurrenz, trifft auf ihre zwei Jahre jüngere Schwester Serena, die aktuelle Nummer eins der Welt. Im direkten Vergleich führt die 33-Jährige mit 14:11 Siegen. Serena Williams hat heuer bereits die Grand-Slam-Turniere in Melbourne und Paris gewonnen und jagt in London ihren 21. Major-Sieg – noch zwei Titel fehlen ihr auf Steffi Graf, den Rekord hält Margaret Court mit 24.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Tennis

Federer fordert Djokovic im Wimbledon-Finale

Novak Djokovic besiegte Richard Gasquet souverän in drei Sätzen. Roger Federer hielt sich gegen Andy Murray ebenfalls schadlos.
Garbine Muguruza of Spain serves during a practice session at the Wimbledon Tennis Championships in London
Tennis

Muguruza: Krönung eines märchenhaften Laufs

Die 21-jährige Spanierin Garbine Muguruza fordert im Finale von Wimbledon Serena Williams. Die Beste der Branche erinnert sich nur allzu gut an die Newcomerin.
Garbine Muguruza
Tennis

Wimbledon: Muguruza in erstem Major-Finale gegen Williams

Die Spanierin Garbine Mugurza bezwang im Halbfinale Agnieszka Radwanska, Serena Williams besiegte Maria Scharapowa.
Tennis

Tennis: „Wimbledon ist unverwechselbar“

Das Grand-Slam-Turnier in London schwört auf Tradition und weiße Kleidung, hält allerdings sehr wenig von großflächig präsentierten Sponsoren und will tunlichst nicht weiter wachsen, wie Geschäftsführer Richard Lewis stolz erklärt.
Richard Gasquet of France falls to the floor after winning his match against Stan Wawrinka of Switzerland at the Wimbledon Tennis Championships in London
Tennis

Wimbledon: Gasquet besiegt überraschend Wawrinka

Mit Djokovic, Federer und Murray zogen Nummer eins bis drei des Turniers ins Halbfinale ein. Nur Wawrinka nahm die Semifinal-Hürde nicht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.