Einmal Liebe nach Maß

Als Inhaber von mehreren Agenturen ist Peter Treichl einer der bekanntesten Partnervermittler Österreichs.
Als Inhaber von mehreren Agenturen ist Peter Treichl einer der bekanntesten Partnervermittler Österreichs.Die Presse
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Mit der Individualisierung und Mobilität der Gesellschaft spezialisiert sich auch die Partnersuche zunehmend. Vermittlungsagenturen reagieren bereits.

Es gibt dieses Phänomen noch: Mann und Frau (oder Mann und Mann oder Frau und Frau) begegnen sich persönlich, lernen sich spontan und ungezwungen kennen und verlieben sich ineinander. Aber es wird seltener. Kennengelernt, angebandelt und verliebt wird mittlerweile immer öfter im Internet, Fernsehen, beim Speed- oder Blind Dating und über Partnervermittlungsagenturen. Ganz neu ist diese Entwicklung freilich nicht, (soziale) Medien vervielfältigen die Auswahl für Beziehungen schon seit Jahren.

Was Soziologen aber insbesondere in jüngster Vergangenheit beobachten: Die Individualisierung der Gesellschaft hat die Suche nach einem Lebenspartner gravierend verändert. Das bedeutet nicht, dass die Menschen einsamer werden, aber klassische Formen wie die Familie lösen sich zunehmend auf. Stattdessen entstehen andere Sozialformen, die unter anderem auch vom wirtschaftlichen Markt übernommen werden.

Ein passendes Beispiel dafür ist der Pflegebereich, der früher ganz selbstverständlich von Nachbarn, Bekannten und Verwandten übernommen wurde, für den mittlerweile aber hauptsächlich bezahlte Dienste zuständig sind. Auch die Entstehung von Versicherungen und Pensionen ist Soziologen zufolge im Prinzip nur ein Ersatz für gegenseitige Hilfe, die in dieser Hinsicht irgendwann einmal üblich war. So gesehen ist die Ehe bzw. die Familie eine der wenigen Beziehungsformen, die immer noch besteht. Nur halten Beziehungen nachgewiesenermaßen nicht mehr so lang wie früher und werden immer stärker überlastet.

Zunehmende Mobilität

Zudem ist es offenbar schwieriger geworden, einen passenden Partner zu finden. Ein Grund dafür ist auch die zunehmende Mobilität. Es bleibt weniger Zeit, Routine aufkommen zu lassen. Statt in den Sportverein geht man heute ins Fitnessstudio. Regelmäßige gesellschaftliche Verpflichtungen, bei denen man jemanden kennenlernen kann, sind seltener geworden.

Somit ist es nicht besonders verwunderlich, dass sich mit der Individualisierung der Gesellschaft auch die Partnersuche zunehmend spezialisiert. Worauf mittlerweile auch die Vermittlungsagenturen reagiert haben. „Männer und Frauen auf Partnersuche haben ganz konkrete Vorstellungen und wissen ziemlich genau, was sie wollen“, sagt Peter Treichl. Seit mehr als 20Jahren verkuppelt er „Singles zwischen 19 und 99 Jahren“ in ganz Österreich und besitzt diverse Agenturen (www.petertreichl.at, www.partnervermittlung-höhenstein.com etc.) mit mehreren tausend Kunden.

Zudem ist er seit 2013 auch der „Schlussmacher“ der Nation – beendet also für Geld Beziehungen und Ehen („Ich mache aus einem unglücklichen Paar zwei glückliche Singles“) oder verwarnt jemanden auf Wunsch auch nur– dabei wird der Partner schriftlich, telefonisch oder persönlich aufgefordert, Änderungen herbeizuführen, um neuen Schwung in die kriselnde Beziehung zu bringen und eine Trennung zu vermeiden. Gelbe Karte nennt sich diese Leistung. Man kann ihn sogar buchen, um eine in die Brüche gegangene Beziehung wieder zu kitten. „Komm zurück“ heißt das Paket, im Zuge dessen Treichl und seine Mitarbeiter Expartner überzeugen sollen, der Beziehung noch eine Chance zu geben.

Landwirte und Tierliebhaber

Sein Hauptgeschäft ist aber nach wie vor die Partnervermittlung. Die neuesten Angebote: Agenturen für Landwirte („Bauern suchen Partner“), Übergewichtige („Rund na und?“), Tierliebhaber sowie homosexuelle Männer (www.gay-partnervermittlung.at) und Transsexuelle. Sämtliche Bereiche boomen. So sehr, dass er sogar nach Partnern sucht, die in sein Geschäft einsteigen.

„Bei den Homosexuellen hat mich der große Erfolg ein bisschen überrascht, weil man meinen könnte, dass das Kennenlernen in dieser Community nicht so schwierig ist“, sagt Treichl. „Aber auf den einschlägigen Partys geht es laut unseren Kunden zumeist um flüchtige Bekanntschaften und Sex, während sich bei uns ausschließlich Personen melden, die auf der Suche nach einer ernsten, dauerhaften Beziehung sind.“ Ältere Personen gehören seit jeher zu seinen Kunden, aber auch in diesem Segment beobachtet er eine zunehmende Individualisierung. „Es klingt seltsam, aber ab einem gewissen Alter spielt das Alter keine Rolle mehr“, sagt Treichl. „Es gibt 80-jährige Frauen, die fitter und aktiver sind als 60-jährige Männer und umgekehrt. Und das kommt gar nicht so selten vor. Am Alter kann man die Kompatibilität zweier Senioren kaum noch festmachen.“

Daher werde die Partnerauswahl immer sensibler, weswegen er beispielsweise auf kurze Videos setze, damit seine Kunden ein besseres Gefühl für ihre Partnervorschläge bekommen. Denn Fotos seien oft nicht besonders repräsentativ. Zudem verfügten Senioren schon über einige Abgeklärtheit, gingen die Partnersuche oft sehr systematisch an und ließen sich nicht vom ersten Eindruck durch ein attraktives Foto blenden.

Ähnliche Interessen seien den Senioren dabei oft noch wichtiger als Romantik – schließlich suchen viele jemanden zur gemeinsamen Gestaltung der oft reichlich vorhandenen Freizeit. Dass die meisten Männer in der Zielgruppe der wesentlich jüngeren Frauen suchen, sei ein Klischee. „Frauen suchen genauso oft jüngere Männer wie umgekehrt“, so Treichl. „Wobei es den meisten nicht vordergründig um das Alter geht, sondern um die Fitness und Agilität. Ich habe in meiner Kartei einen 90-jährigen Mann, der sehr aktiv ist, derzeit urlaubt er ganz allein in Indien. Was er sucht und braucht, ist selbstverständlich eine Frau, die mit ihm mithalten kann.“

Seelenverwandte

Besonders wichtig bei Senioren sei auch die Seelenverwandtschaft – manchmal finden einander ältere Personen mit sehr ähnlicher Lebenserfahrung, die etwa an derselben Universität studiert oder in ihrer Jugend ähnlich harte Bedingungen gespürt haben, zu einer neuen harmonischen Beziehung. „Das Bedürfnis nach Zweisamkeit darf nicht unterschätzt werden und kennt buchstäblich keine Grenzen“, betont Treichl. Derzeit überlegt er sogar, eine Agentur für Personen im Alter von 100 Jahren oder älter zu gründen. Denn: „Sie wären überrascht, wie groß der Markt auch in diesem Segment ist.“ Außerdem in Planung: eine Partnervermittlung für körperlich Behinderte und sogenannte Trennungsreisen für frisch Getrennte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2015)

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