Aristo-Chic: Zwischen Adel und Mode

Cara Delevingne. Unermüdlich, hier für Yves Saint Laurent Beauté.
Cara Delevingne. Unermüdlich, hier für Yves Saint Laurent Beauté.(c) Beigestellt
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Das Verhältnis von Adel und Mode ist seit jeher ein gutes. Das spiegelt sich auch heute noch in der Auswahl wichtiger Testimonials.

Ihrem Ursprung nach ist die Mode ein aristokratisches Modell", schrieb Roland Barthes in seiner berühmten Studie "Die Sprache der Mode". Damit der kommerzielle Kreislauf der Mode nicht unterbrochen werde, so Barthes, müsse den Konsumentinnen stets das Versprechen eines besseren, begehrenswerten, "aristokratischen" Lebensentwurfs präsentiert werden, denn nur so könnten sie immer wieder zum Kauf von neuer Kleidung verführt werden.

Blättert man Hochglanz-Modemagazine wie "Vogue", "Harper s Bazaar" oder "Tatler" durch, findet man genügend Belege für diesen Befund. Die Modeindustrie verkauft nicht nur Kleidung und Accessoires, sondern auch den Traum eines glamourösen Lebens in Luxus und Überfluss, wie es in Wirklichkeit nur einer kleinen globalen Elite vorbehalten ist. Modefotografen zitieren die Kulissen adliger Lebenswelten, wenn sie Foto-Shootings in barocken Pariser Palais, französischen Schlossgärten, auf englischen Landsitzen, auf Luxusjachten oder in heruntergekommenen italienischen Palazzi inszenieren.

Für diese Fotostrecken posieren bisweilen dann auch blaublütige Models, wie etwa die von einem schottischen Adelsgeschlecht abstammende Stella Tennant, Charlotte Casiraghi, die Tochter von Prinzessin Caroline von Monaco, ihre Schwägerin Beatrice Borromeo oder Cara Delevingne, deren Vater dem britischen Landadel angehört. Jedoch sind aristokratische Mannequins heute in der Minderheit. Auch abseits der Laufstege haben Celebrities und Popstars die Aristokratie als Meinungsführer in Stilfragen abgelöst.

Bianca Brandolini d’Adda und die Nouvelle- Vague-Kollektion von Cartier.
Bianca Brandolini d’Adda und die Nouvelle- Vague-Kollektion von Cartier.(c) Beigestellt

In der Vergangenheit war dies anders: Bis ins 18. Jahrhundert hielten sich in Europa Kleiderordnungen, wonach Angehörigen gewisser Stände das Tragen mancher Modeartikel strikt verboten war. Die gesellschaftliche Herkunft sollte auf den ersten Blick erkennbar sein, und so waren zum Beispiel goldene und silberne Tressen, Besätze und Stickereien, aber auch Pelze und Federhüte dem Adel vorbehalten.

Mit der Aufklärung verschwanden zwar die Kleidervorschriften, die modische Meinungsherrschaft blieb allerdings bis in die Moderne fest in den Händen der Aristokratie. Der Erfinder der Haute Couture, Charles F. Worth höchstpersönlich, verdankte seine Karriere der Frau des österreichischen Gesandten in Paris, Pauline Fürstin von Metternich. Als die für ihre extravaganten Auftritte bekannte Fashionista avant la lettre seine Roben am Hof des französischen Kaisers Napoleon III. trug, avancierte Worth zum gefragtesten Couturier europäischer Königshäuser.

Stella Tennant. Sie wirbt derzeit für Pringle of Scotland.
Stella Tennant. Sie wirbt derzeit für Pringle of Scotland.(c) Beigestellt

Das berühmte weiße Krönungskleid der Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn etwa war eine Kreation des Maison Worth. Die enge Verzahnung zwischen Adel und Mode blieb bis ins zwanzigste Jahrhundert erhalten, und Aristokratinnen zählen auch nach offizieller Abschaffung des Adelsstandes in zahlreichen europäischen Nationen zu den wichtigsten Abnehmerinnen von Couture-Kleidern.

Beatrice Borromeo ist Freundin des Modehauses von Giorgio Armani.
Beatrice Borromeo ist Freundin des Modehauses von Giorgio Armani.(c) Beigestellt

Graue Eminenzen. Heute dominieren globale Power-Celebrities wie Kim Kardashian, Beyonc oder Taylor Swift die modisch-medialen Aufmerksamkeitsmärkte und haben blaublütige Modevorbilder endgültig entthront. Kein Wunder, wenn man an die Fashion-Fadesse von Herzogin Catherine Mountbatten-Windsor (geborene Middleton), Mette-Marit, Kronprinzessin von Norwegen, oder Sofia, Prinzessin von Schweden, denkt. Trotzdem ist der Einfluss der Aristokratie auf die Mode noch längst nicht versiegt. Einige wenige reiche Aristokratinnen agieren hinter den Kulissen der Modeindustrie noch immer als Musen und Image-Beraterinnen von Modedesignern eine Rolle, die wie geschaffen ist für Personen, die kein Einkommen generieren müssen und eine starke Affinität zu exzentrischem Verhalten haben. Besonders aus der jüngeren britischen Modegeschichte sind diese grauen Eminenzen nicht mehr wegzudenken.

Die bekannteste von ihnen ist bestimmt Lady Amanda Harlech, die zwölf lange Jahre lang eine der wichtigsten Vertrauten von John Galliano war, bis er 1996 ohne sie zu Dior wechselte und ihre Freundschaft deswegen in die Brüche ging. Mittlerweile arbeitet Harlech seit fast zwanzig Jahren für Karl Lagerfeld und steht ihm unermüdlich als Muse bei seiner Arbeit für Chanel und Fendi zur Seite.
Alexander McQueens Karriere wäre ohne seine Mentorin Isabella Blow (die einem verarmten englischen Landadelshaus angehörte) vermutlich nicht so steil gestartet: Die Moderedakteurin Blow kaufte 1992 McQueens Abschlusskollektion am renommierten Saint Martins College und verhalf ihm zu seinen ersten Cover-Fotoshootings.

Charlotte Casiraghi. Grace Kellys Enkelin als „Madame Figaro“-Coverstar.
Charlotte Casiraghi. Grace Kellys Enkelin als „Madame Figaro“-Coverstar.(c) Beigestellt

Sie lud den aus einer Londoner Arbeiterfamilie stammenden McQueen im Laufe der Jahre immer wieder auf das Anwesen ihres Mannes in Gloucestershire ein, wo McQueen sich zurückziehen konnte und die Falknerei erlernte. Auch ihre Beziehung verschlechterte sich sehr, als McQueen 1996 zum Chefdesigner von Givenchy ernannt wurde und sich weigerte, Blow einen bezahlten Posten an seiner Seite zu beschaffen. In den vergangenen Jahren hat sich ein neues, nicht minder ominöses Betätigungsfeld für Aristokraten in der Mode aufgetan: das des Street-Style-Stars. Mit den zahlreichen Street-Style-Blogs ist die Modeindustrie gewissermaßen an einen Mix aus internem Klatschmedium und raffinierter Werbeplattform geraten. Die Einladung zu Modeschauen scheint mittlerweile für manche nur mehr ein Vorwand zu sein, um sich vor den Kameras jener Street-Style-Fotografen zu inszenieren, die in Mailand, London, New York und Paris vor und nach den Shows auf die Besucher lauern.

Adlige Fashion-Victims wie Daphne Guinness, In s de la Fressange oder Caroline de Maigret sind neben Bloggerinnen wie Chiara Ferragni und Susie Bubble bei den Fotografen besonders beliebt und sorgen dafür, dass das aristokratische Modell der Mode auch ins 21. Jahrhundert weitergetragen wird. In Paris werden übrigens viele Street-Style-Fotos in den Jardins des Tuileries geschossen, in derselben Parkanlage also, in der schon im siebzehnten Jahrhundert Kaiserinnen, Königinnen und Fürstinnen in ihren aufwendigen Roben spazieren gingen und sich bewundern ließen. Aristo-Chic vergeht eben nicht.

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