Der Sommer bleibt lang und die Übergangsjacke im Kasten

sommerliches Herbstwetter in Muenchen Bayern Deutschland Frau genieszt die warme Sonne auf einer Li
sommerliches Herbstwetter in Muenchen Bayern Deutschland Frau genieszt die warme Sonne auf einer Liimago/Ralph Peters
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Der Herbst wird immer wärmer – die klassische Übergangszeit von Sommer auf Winter fällt aus. Oder verlagert sich – in den Winter.

Früher, so will es zumindest die Erinnerung, war es mit dem Sommer spätestens mit Schulbeginn, allerspätestens wenige Wochen darauf, vorbei: Die kurzen Leiberln wurden gegen lange getauscht, man musste eine Haube aufsetzen oder zumindest das verhasste Stirnband, und zur Sicherheit hatte man auch schon die Handschuhe in den Jackentaschen mit.

Für eine echte Winterjacke war es zwar noch zu warm. Für den Herbst, der gleich zwei offizielle Beginntage hat – die Meteorologen rechnen ab dem 1. September, der astronomische Herbstbeginn fällt meist auf den 22. oder 23. September –, hatte man folglich die sogenannte Übergangsjacke (die Oma nannte sie Blouson). Die brauchte man im Herbst: Für kurze Ärmel war es trotz Sonnenscheins zu kalt, an Auf-dem-Boden-Sitzen oder Ohne-Jacke-Herumlaufen war nicht zu denken.

Heute, zumindest hat man den Eindruck, gibt es diese Übergangszeit nicht mehr so recht: Der Herbst fühlt sich unglaublich lang nach Spätsommer an, bunte Blätter hin, geschlossene Schwimmbäder her. Man kann noch kurzärmlig im Schanigarten sitzen, ja sogar in der Wiese – und dann ist es von einem Tag auf den anderen Winter, mit Handschuhpflicht, und viel zu kalt für die Übergangsjacke.

Tatsächlich ist dieser Eindruck nicht ganz falsch, sagt der Meteorologe Josef Lukas vom Wetterdienst Ubimet. „Seit Beginn des Jahrtausends hat sich der Herbst verändert“, ist wärmer geworden. „Es gibt eigentlich kaum mehr kalte September“, auch die Oktober – mit Ausnahme des Vorjahrs – verlaufen zu warm. Der soeben zu Ende gegangene September ist da ein besonders gutes Beispiel: Mehrere Hochs folgten aufeinander, es war so sommerlich warm, dass Mutige sich gar noch Ende des Monats ins Wasser wagten. Im ganzen Land, sagt die Statistik von Ubimet, war es um 2,5 Grad zu warm, damit war es der drittwärmste September seit 1767. Vor allem im Osten war es – mit mehreren Tagen mit 30 Grad und mehr – so warm oder gar wärmer als auf Mallorca.

Dass es dann gefühlt plötzlich Winter wird, wie viele meinen, stimmt aber nicht, sagt Lukas. Denn selten kühlt es von Spätsommer- auf echte Wintertemperaturen ab. Wenn wir aber an einem Tag bei 27 Grad in der Sonne saßen und der nächste Morgen nur zehn Grad bringt, kommt einem das wie ein extremer Temperatursturz direkt in den Winter hinein vor. Tatsächlich sind diese zehn Grad aber dem Herbst entsprechend normal. Es wird also nicht plötzlich Winter, vielmehr, sagt Lukas, zieht sich nicht nur der Sommer, sondern auch der Herbst – zeitversetzt eben – in die Länge. So wie voriges Jahr, als es im Dezember alles andere als winterlich war und es am Heiligen Abend zweistellige Plusgrade hatte. Weihnachten im Spätherbst also. Das wäre dann wohl die Zeit für die Übergangsjacke.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2016)

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