In Wien kann man ungeniert Pelz tragen

Wien kann ungeniert Pelz
Wien kann ungeniert Pelz(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Er ist warm und kuschelig, und er wird dieser Tage in Wien ganz ungeniert und selbstbewusst getragen. Doch sich mit einem Pelz vor der Kamera zu präsentieren, davor scheuen viele Träger zurück.

Wer sich dieser Tage in den klirrkalten Straßen Wiens bewegt, dem springt er schnell ins Auge: Die Stadt trägt Pelz, ganz ungeniert, wie es scheint. Jahrzehntelange Bemühungen des Tierschutzes scheinen angesichts der eisigen Kälte in Vergessenheit geraten zu sein. Oder haben sie in Wien etwa nie gefruchtet? Ist die Pelzträgerfraktion mittlerweile so selbstbewusst, dass sie sich vor die Kamera stellt um in aller Öffentlichkeit zu verkünden: Ja, ich trage Pelz und bin stolz darauf?

Das Wiener Dorotheum veranstaltet derzeit jede Woche eine Pelzauktion. Die Pelze können im Vorfeld besichtigt und anprobiert werden. Da hängen sie, in einem schlichten Raum an einfachen Kleiderstangen in Reih und Glied: vom Zobel über den Fuchs bis zum Lamm- oder Kaninchenfell. Werden von den anwesenden Damen – nur hin und wieder verirrt sich auch ein Herr in den Besichtigungsraum – liebevoll bis kritisch beäugt. Die Klientel ist international. Eine Dame – sie ist Russin und lebt seit 15 Jahren in Österreich – sucht einen Zobel für eine Freundin. „In Diplomatenkreisen gehört es einfach dazu, dass man als Frau zu gewissen Anlässen Pelz trägt. Genauso wie ein Kostüm von Chanel“, sagt sie. Aber man trägt nicht irgendeinen Pelz, ein Zobel muss es schon sein. „Ein Symbol für Reichtum. Aber der Schnitt muss zeitlos sein.“ Über die Frage, ob sie in Wien schon einmal Probleme mit Pelzgegnern bekommen hat, muss sie schmunzeln: „Die grüne Revolution ist nicht bis nach Wien gekommen. Hier kann man ungeniert Pelz tragen.“

Zumindest letzteres bestätigen zwei Damen aus Bonn, die es nach eigener Aussage nur „zufällig“ zur Pelzbeschau verschlagen hat: „In Bonn zeigen die Leute auf einen, wenn man mit Pelz auf die Straße geht. Wien ist da viel entspannter.“ Ein Herr aus Rumänien hat sich bereits eine ganze Menge von Pelzen notiert, die er gerne ersteigern möchte. Die verkauft er weiter, in sein Heimatland, auch nach Griechenland. 300 Euro sind für ihn die Obergrenze dessen, was er hier für einen Pelz ausgeben will. Eine Französin, sie ist selbst Diplomatin, sagt, sie habe eigentlich schon immer Pelz getragen. Nur in die Zeitung will sie damit lieber nicht. Schon gar nicht mit Foto. Und auch ihren Namen will sie nicht in der Zeitung sehen. Genau wie alle anderen befragten Pelzinteressenten. Hört der Stolz der Pelzträgerin also da auf, wo das öffentliche Bekenntnis anfängt? Und fängt das schlechte Gewissen da an, wo man sich selbst fragen muss, warum man eigentlich so gerne in die zusammengenähten Felle eines toten Tieres hineinschlüpft?


Kein Tier, ein Fell.
„Das ist kein Tier, das ist ein Fell.“ Robert Liska sieht die Frage jenseits von Ethik und Moral ziemlich locker. Seit 70 Jahren ist seine Familie im Pelzgeschäft tätig, er führt zwei exklusive Geschäfte im Ersten Bezirk, eines am Graben, eines am Hohen Markt.

Ganz weg vom Fenster sei der Pelz auch zur Blütezeit der Antipelzkampagnen in den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren nie gewesen, meint er. Doch in den letzten fünf Jahren, da sei schon so etwas wie eine Pelz-Renaissance zu bemerken. Von der Wirtschaftskrise merke die Branche nichts – eher im Gegenteil. „Manche sparen. Andere geben Geld aus, was das Zeug hält“, sagt Liska. Seiner Meinung nach ist es das Handwerk, das die Leute nun zunehmend wieder zu schätzen wüssten. Die Nachfrage nach dem Rohstoff Pelz steigt: mittlerweile verbraucht China 60 Prozent der weltweiten Pelzressourcen – und der Markt ist noch lange nicht gesättigt.

Das Bild vom gediegenen Handwerk stimmt aber nur sehr bedingt. Zu groß ist die Industrie, die dahintersteckt. In einer kürzlich von der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ in Auftrag gegebenen Studie wurden Pelzprodukte in einem Fachlabor auf giftige Rückstände getestet. 35 Pelze an Jacken, Mützen, Kragen, Schals oder Kapuzen, gekauft in sieben europäischen Ländern von internationalen Labels wie Gucci, Burberry oder Max Mara bis hin zu nationalen Modeketten, wurden untersucht. In allen Proben fanden sich Schadstoffe, bei einem Großteil erreichte der Chemie-Cocktail gesundheitsschädigendes Niveau.


Ziel: Pelzverbot. „Natürlich ist unser langfristiges Ziel ein generelles Pelzverbot“, sagt Anita Hauser, die Anti-Pelz-Kampagnenbeauftragte des Tierschutzvereins „Vier Pfoten“. „Aber ein wichtiger Schritt wäre schon einmal eine einheitliche Kennzeichnungspflicht.“ Das Problem bestehe vor allem bei Kleidungsstücken mit teilweisem Pelzbesatz. Viele Leute, klagt Hauser, wüssten nämlich nicht einmal, dass es sich bei der Kapuze am Mantel oder beim Puschel auf der Haube um echten Pelz handle.

Martina Ressmann scheint einer der wenigen Menschen in Wien zu sein, die keine Scheu haben, mit einem Pelz ins Bild zu kommen. Und das, obwohl sie in keiner Weise dem Klischee der ökologisch ignoranten, (neu)reichen Pelzträgerin entspricht. Zum Treffen trägt die 31-jährige Hobby-Jägerin eines der Erbstücke von der Großmutter, ein Kaninchenfell. Der Pelz liegt größtenteils an der Innenseite, insofern wirkt er recht dezent und hat wenig mit den oft kastenförmigen, schweren Pelzen der älteren Generation zu tun, die eher ins Auge springen. Man könnte sich vorstellen, dass sogar ein spraybereiter Pelzaktivist sie nicht als potenzielles Opfer erkennen würde. Tatsächlich sei sie schon einmal unbehelligt an einer Anti-Pelz-Kampagne vorbeispaziert, sagt sie.

Maslow'sche Pyramide.
Ressmann kann sich in den Anliegen der Tierschutzorganisationen durchaus wiederfinden. Sie würde nie einen neuen Pelz kaufen, weil sie die Industrie dahinter nicht unterstützen möchte. Nur findet sie die Stilisierung der Pelzträger als Ursprung allen Übels etwas übertrieben. Immerhin sei ein Pelz „etwas Nachhaltiges. Der überlebt alle anderen Kleidungsstücke. Außerdem hält er warm.“ Wichtig sei ihr, dass man bei seinen Kaufentscheidungen Verantwortung dafür übernimmt, was man tut. Wie beim Jagen. Als Jägerin betreut sie ihr eigenes Revier, kontrolliert den Wild- und Waldbestand. Und wenn sie ein Tier schießt, dann übernimmt sie alle weiteren Schritte vom „Aufbrechen“ des Fleisches bis zum Paketieren selbst. „Ich finde, wenn man sich fürs Pelztragen entscheidet, dann sollte man bewusst drauf schauen, wo der Pelz herkommt.“ Auf die Frage, ob auch bei der jüngeren Generation die Hemmschwelle zum Pelz gefallen sei, meint sie: „Jede junge Generation hat ihre Tabuthemen. Heute rücken soziale Probleme wieder mehr in den Vordergrund.“ Das wäre die Sache mit der Maslow'schen Bedürfnispyramide: Erst, wenn alle Grundbedürfnisse des Menschen erfüllt sind, wendet er sich der Optimierung des Übrigen zu. „Die Krise macht es wohl für immer mehr Menschen schwierig, an etwas anderes als an die eigenen Probleme zu denken“, sagt Ressmann. „Der Pelz ist doch nur die Spitze des Eisbergs. Man kann ja heute kaum noch etwas kaufen, ohne sich zu fragen, ob man damit nicht irgendeinen Schaden anrichtet. Ob das jetzt Kleidung ist, Lebensmittel oder Kosmetik.“

Die Wirtschaftskrise treibt der Pelzindustrie die Kunden zu und schwächt ihre Gegner? Das wäre doch einmal eine interessante These.

Echter Pelz ist manchmal kaum noch von Kunstpelz zu unterscheiden. Ein paar Tricks.

Kunstpelz ist heute meist von guter Qualität. Echter Pelz wird für die Verwendung in der Mode oft geschoren und gefärbt. So sind die beiden kaum noch voneinander zu trennen. Gerade bei Pelzbesatz an Kapuzen und Mützen ist zudem selten deklariert, worum es sich handelt. Der Tierschutzverein „Vier Pfoten“ gibt ein paar Tipps, wie man Echtpelz von Kunstpelz unterscheiden kann.

Der Ledertest.Echtpelz wird mitsamt Leder gewonnen und verarbeitet. Ziehen Sie die Haare vorsichtig auseinander. Am darunter liegenden Gewebe können Sie meist ganz einfach erkennen, ob es sich um ein künstlich gewebtes Muster bzw. Stoff handelt oder ob die Haare auf echtem Leder haften.

Der Unterwolletest. Ziehen Sie die Oberwolle des Pelzes etwas auseinander und schauen Sie, was darunter zum Vorschein kommt. Ist der Pelz lang bzw. ungeschnitten, ist bei echtem Pelz manchmal eine Unterwolle zu erkennen. Diese besteht aus feinen, dichten und flauschigen Haaren, welche die Tiere in der Natur wärmen.

Der Windtest. Echtpelz bewegt sich oft schon bei leichten Brisen. Wenn Sie ganz sanft über den Pelz blasen und sich die Haare trotzdem bewegen, handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen echten Pelz.

Der Geruchstest. Man kann Echt- von Kunstpelz unterscheiden, indem man ein paar Haare verbrennt. Wenn Sie einen synthetischen Geruch wahrnehmen und die Haare zu kleinen, harten Klümpchen verschmelzen, handelt es sich um Kunstpelz. Zerfallen die Haare, und es riecht nach verbranntem Haar, handelt es sich um echten Pelz.

www.vier-pfoten.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2012)

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