Keine Fotos während des Essens

Reuters
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Gibt's was Schlimmeres, als Fütterungspaparazzi?

Es gibt kaum eine bessere Möglichkeit, Menschen fotografisch in ein schlechtes Licht zu rücken, als sie beim Essen abzulichten. Im besten Fall drückt man genau in jenem Moment ab, in dem die Gabel kurz davor ist, das Stück in den weit aufgerissenen Mund zu laden. Viel hilfloser kann man kaum wirken, fast wie ein Hund, der sich bei Gefahr auf den Rücken legt und seine Weichteile dem Feind als Friedensangebot darlegt. Den Blick starr geradeaus gerichtet, vielleicht verschwindet die Pupille sogar ein wenig unter dem Augenlid, die Zunge tastet sich gerade vor zum Bissen, die leicht nach vorn gebeugte Haltung verkürzt ihr dabei den Weg – nun, das ist nicht unbedingt die Pose, in der sich Models auf dem Titelblatt von „Vanity Fair“ üblicherweise präsentieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich manche Speisen einfach nicht dazu eignen, würdevoll konsumiert zu werden. Nudeln zum Beispiel. Beim Verspeisen eines Asia-Nudel-Snacks sollte man tunlichst darauf achten, dass vorher alle Menschen in der Umgebung ihre Kameras abgeben. Besonders bitter ist es bei Bucatini, den spaghettiartigen Teigwaren, die innen hohl sind – denn will man sie aufsaugen, wirken sie wie ein Strohhalm. Soll heißen, man saugt viel Luft – und ein bisschen Sugo – in den Mund, die Nudel selbst hängt weiter in voller Länge aus dem Gesicht. Es sind böse Menschen, die in einer solchen Notlage nicht zur Schere greifen, um dem bedauernswerten Nudelopfer zu Hilfe zu eilen, sondern das Handy zücken und den entwürdigenden Moment für die Nachwelt festhalten.

Doch manchen Opfern der Fütterungspaparazzi scheint das gar nichts auszumachen – sie stellen die Bilder sogar noch auf Facebook... Sieht danach aus, dass die Food-Pornografie, bei der nur das Essen selbst abgelichtet wird, eine Steigerung erfahren hat. Wird spannend, wann bei Facebook die ersten Bilder auf der Toilette zu Profilbildern gemacht werden.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2013)

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