Der Wanz, der Spencer und das Telefonbuch

Otto Wanz
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Mit Otto Wanz ist gerade ein Superstar meiner Kindheit 70 geworden. Von den Kindern in meiner Siedlung in Graz-St. Peter wurde der Wanz verehrt wie Bud Spencer und Terence Hill.

Mit Otto Wanz ist gerade ein Superstar meiner Kindheit 70 geworden. Von den Kindern in meiner Siedlung in Graz-St. Peter wurde der Wanz verehrt wie Bud Spencer und Terence Hill. Letztere beobachtete man fasziniert, wie sie sich gefühlt jeden Sonn- und Feiertag auf FS1 durch das Nachmittagsprogramm prügelten (sofern die Oma nicht den Fernseher wegen der Hans-Moser-Filme auf FS2 okkupiert hatte). Ersterer, der Wanz, kämpfte auch, bevorzugt gegen Telefonbücher, die er in der Öffentlichkeit zerriss, und aus unerklärlichen Gründen wollten ihm dabei ziemlich viele Menschen zusehen. Weil man als Kind nicht zwischen weltweit gefeierten Schauspielern und ziemlich lokalen Grazer Phänomenen unterscheiden konnte, galten der Telefonbuchzerstörer Wanz und die Hollywood-Stars Hill und Spencer gleichermaßen als Superhelden.

Ein paar Jahrzehnte später wundert man sich natürlich, warum sich 1.) in den Achtzigern kaum jemand Gedanken gemacht hat, dass die „Vier Fäuste für...“-Massenschlägereien vielleicht kein so kindertaugliches TV-Programm waren. Und wieso uns Kinder 2.) übergewichtige Männer interessierten und man ihnen 3.) so gern beim Prügeln zusah. Im Zweifel lautet die Begründung schlicht: Es war halt eine andere Zeit. (Damals wäre etwa auch niemand auf die Idee gekommen, seinem Kind einen Helm zum Radfahren aufzusetzen.) Es war die Ära der Vierteltelefone und der latenten Sorge der Oma, nicht die Rettung rufen zu können, falls einmal „wirklich etwas ist“, weil die anderen drei Viertel des Festnetzanschlusses ständig am Telefonieren waren. Otto Wanz jedenfalls hat zum Siebziger eine Biografie in Cartoon-Form bekommen (Holzbaumverlag), angeblich ist er auch immer noch Weltrekordhalter im Telefonbuchzerreißen. Ich vermute: Das wird er auch noch lange bleiben. Gibt ja kaum noch eines, das man heutzutage noch zerreißen könnte.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2013)

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