Tel Aviv für Weltbürger

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Symbolbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Weißer Sand und Gustav Mahler, oder: Warum der Sommerausklang zu Hause am schönsten ist.

Diese Lektion haben wir gelernt. Es ist ein haltloses Vorurteil, dass mit dem Wort Austria in den Wüstenregionen von Kalifornien, Nevada oder Arizona kein Mensch etwas anfangen kann. Selbst in Lone Pine trifft man auf Tankwarte, die am liebsten in Saalbach-Hinterglemm Ski fahren. Der Gun-Shop von Jamestown führt ein verblüffend großes Repertoire an Glock-Pistolen. Und bei Abercrombie & Fitch in Las Vegas stößt der Kassier einen Freudenschrei aus, als wir auf sein euphorisches Fragen hin unsere Herkunft verraten: „Austria? Gustav Mahler is my favorite composer.“ Da kommt so fern der Heimat doch ein Hauch Patriotismus auf.

Zurück in Wien, stecken wir die Füße in den weißen Donaukanal-Sand und diskutieren bei orientalischem Fingerfood über Heimatliebe. „Ist mir völlig fremd“, resümiert R. täuschend echt. Nach mehrjährigen Auslandsaufenthalten in Japan, Indien und Neuseeland und einer Ehe mit einer in Australien lebenden Libanesin bezeichnet er sich selbst als Weltbürger – überall zu Hause also, eigentlich aber nirgendwo. Allgemeines Schmunzeln in der Freundesrunde, die an diesen letzten Augusttagen endlich wieder komplett ist. Wir prosten uns zu in dem stillen Einverständnis, dass der Sommerausklang an keinem anderen Ort und in niemandes Gesellschaft schöner sein könnte. Dann verschwindet die Sonne hinter dem Ringturm, und zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit warten hier leere Stühle auf Besucher und nicht umgekehrt. Die aufgeregte Hektik der heißen Sommermonate weicht einer angenehmen Stille.

„Kann jemand meinen Ventilator zusammenschrauben?“, fragt L., in technischen Dingen – gelinde gesagt – unversiert. Keiner wagt es auszusprechen – aber sie wird ihn in diesem Jahr bestimmt nicht mehr brauchen.

E-Mails an:anna.gabriel@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2013)

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