Pinguin

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Unlängst wurde aus einem Gastgarten die kleine Pinguinfigur, die dort seit über 50 Jahren freundlich herumsteht, gekidnappt.

Ist jemandem aufgefallen, dass ich eine Woche weg war? Wenigstens irgendjemandem? Ist schon okay, Berlin ist auch nicht aufgefallen, dass ich dort war. Berlin! Die Stadt der unerträglichen Coolness. Da verkehren die U-Bahnen gefühlt alle sieben Stunden, du kommst also zu spät zur Party, wie alle anderen auch, und wenn gegen vier Uhr früh auch der letzte Gast eingetrudelt ist, wird dann langsam die Flasche Merlot aus dem Schrank geholt. Das ist der ganze Pfeffer an dem Mythos „Partystadt Berlin“: In Wahrheit wollen alle um zehn ins Bett, aber die Berliner Verkehrsbetriebe machen da nicht mit.

Ein bisschen weiter südlich, in München nämlich, war ich auch, aber nur im Kopf. Dort spielt der neue Krimi des deutschtürkischen Autors Su Turhan („Bierleichen“, Knaur Verlag). Veröffentlichungen wie diese zeigen ja immer, dass man sich in Sachen Integration nicht komplett auf dem Holzweg befindet, sprich türkeistämmige Autoren, Ärzte, Psychologen usw. Und, wie in Su Turhans Buch, türkeistämmiger Kommissar sowie türkeistämmige Leiche. Also: Ein Student aus Istanbul wird in einem Münchner Brunnen gefunden, ziemlich alkoholisiert und recht tot. Nur hat ebendieser Student namens Ömer Özkan nie einen Tropfen Alkohol angerührt, sprich kniffliger Fall, sprich keine Verwandtschaft mit mir. Die Namensgleichheit macht dich aber trotzdem nachdenklich, weil du dir denkst, das ist doch unfair, gerade erst integriert und schon sterblicher Überrest.

Wie auch immer, zurück in Wien freut man sich zwar über die vorbildlichen U-Bahn-Intervalle, aber mein Wohnzimmer – ihr kennt das auch unter dem Namen Café Rüdigerhof – meldet schlechte Nachrichten. Unlängst wurde aus dem Gastgarten die kleine Pinguinfigur, die dort seit über 50 Jahren freundlich herumsteht, gekidnappt. In der Vermisstenanzeige steht zu lesen: „Der kleine Pinguin ist ausgebüchst. Vielleicht ist er auch nur mitgegangen (...) Wir fragen nicht nach. Wir wollen ihn nur dort haben, wo er hingehört. Weil er uns fehlt.“ Falls sich der Pinguin also nicht aus freien Stücken in einen Brunnen hineingeschmissen hat: Dem ehrlichen Finder winken 500 Euro und zehn Gratisbiere.

E-Mails an:duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2014)

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