Hartes Pflaster Berlin

(c) FABRY Clemens
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Die Römer waren großartige Straßenbauer. Aber ihre wuchtigen, unverfugten Steinblöcke erwiesen sich nicht für ewige Zeiten als der Ingenieursweisheit letzter Schluss.

Das Pflaster schüttelte die Knochen der Reisenden durch, bescherte Beulen, blaue Flecken und Achsenbrüche. Bis der optisch etwas eintönige, aber praktische Asphalt aufkam. Die ganze Welt nahm die Erfindung dankbar an. Die ganze Welt? Nein! Eine Stadt hoch oben in Preußen leistet der Moderne tapfer Widerstand und hält es weiter mit den alten Römern. Die Berliner holpern und rumpeln immer noch auf Kopfsteinpflaster, zumindest in Nebenstraßen im Ostteil der Stadt. Man denke dabei nicht an romantische Dorfanger oder Altstadtplätze (gibt's hier nicht), sondern an hunderte Kilometer x-beliebige Vorstadtgassen. Dort fahren nun statt Kutschen Autos, machen auch bei niedrigem Tempo einen Höllenlärm und sind bei Nässe kaum zu bremsen.

Für Radfahrer, die keine heimliche Leidenschaft fürs Rodeoreiten hegen, sind diese Straßen unpassierbar. So stagniert in Berlin die Zahl derer, die sich ohne Lärm und Gestank fortbewegen. Wer sich, wie ich, dennoch kühn aufs Rad schwingt, muss auf den Gehsteig ausweichen. Dort komme ich auch bei noch so viel Rücksicht den Fußgängern in die Quere. Im Mauerpark muss ich schieben, dort unterbricht eine kilometerlange Rumpelstrecke einen städtischen und einen Fernradweg. Einige nostalgieselige Anrainer verhindern die Asphaltierung.

Es geht nämlich nicht darum, dass Berlin sexy, aber arm ist, und sich Asphalt im großen Stil nicht leisten könne. Nein, die Berliner mögen ihre Stolpersteine. Frage ich sie nach Gründen, höre ich meist: „Weil es schon immer so war.“ Mit gleicher Logik könnten sie fordern: Latrine statt Wasserklosett. Oder: Säge statt Skalpell.

Gehsteige belegen sie mit „Bernburger Pflaster“, das noch dem kleinsten Rollkoffer das akustische Potenzial eines Maschinengewehrs verleiht. Diese kleineren Steine werfen Autonome gern auf Polizisten. Immer wieder wird diskutiert, Kreuzberger Gehsteige zu teeren, um ihnen Munition zu entziehen. Sollten mir linke Randalierer endlich Asphalt bescheren? Es lebe die Revolution!

E-Mails an:karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2014)

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