Donau, Hafen und die schnellste Brücke von Wien

Wolfgang Freitag
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Der „Ingeniör“ und seine Kunst: was wir im hintersten Simmering erfahren können.

Dem Ingeniör ist – sagt man – nichts zu schwör. Zumindest hat uns das Daniel Düsentrieb und seine Dolmetscherin in das Deutsche, Erika Fuchs, vor Jahrzehnten glauben gemacht (und weitere Jahrzehnte davor, 1871, das „Ingenieurlied“ des Heinrich Seidel). Der unvermeidliche Folgegedanke freilich ist PR-mäßig für das Berufsbild fatal: Denn wenn dem Ingeniör eh nichts zu schwör ist, wozu dann rund um seine Leistungen viel Aufhebens machen?

Tatsächlich leidet etwa die hohe Kunst des Ingenieurbaus unter vergleichsweiser Ignoranz: Während sich Architektur im Allgemeinen – und zwar mit Recht – einer immer breiteren Öffentlichkeit erfreuen darf, ist die Öffentlichkeit, die sich für den Zauber von Tunneln, Türmen, Brücken begeistert, unverändert schmal, falls überhaupt vorhanden. Nur das Versagen, der Einsturz, der Kollaps, der Zusammenbruch rücken den Ingenieurbauer und sein Schaffen in den Mittelpunkt allgemeinen Interesses. Wenn sein Werk einfach besteht, allen noch so großen Herausforderungen der Statik zum Trotz, darf er sicher sein, dass es entgegen aller faktischer Unübersehbarkeit übersehen wird: hingenommen als selbstverständliches Inventarstück der Welt, die uns umgibt.

Wenn es noch dazu an entlegener Stelle trägt, was es zu tragen hat... Da wäre etwa jene Eisenbahnbrücke, die seit 2008 die Donaulände- mit der Donauuferbahn verbindet. Für Nichteisenbahner und Nichteisenbahnfreunde: Unweit der Freudenauer Hafenstraße, im hintersten des hinteren Simmering, führt sie über Hafen und Donaukanal – und schaut dabei sehr viel flotter aus als das, was sich auf ihr bewegt, ausschließlich Güterzüge nämlich. Doch selbst ein ICE, ein TGV oder ein Shinkansen kämen neben so viel Rasanz wohl lahm daher.

Übrigens: Ihr Architekt heißt Albert Wimmer, und dass kaum einer sein Simmeringer Brückenwerk würdigt, wird er leicht verschmerzen. In seinem Fall ist die Öffentlichkeit gegenwärtig – Krankenhaus Nord! Hauptbahnhof! – sicher auch so schon breit genug.

E-Mails an:wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2014)

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