Nachspielzeit

FUSSBALL - FIFA WM 2014, FRA vs GER
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Du weißt, dass du zu viel über die Fußball-WM geredet hast, wenn dein vierjähriges Kind schon beim Frühstück „Spielen heute die Deutschen?“ fragt.

Du weißt, dass du zu viel über die Fußball-WM geredet hast, wenn dein vierjähriges Kind schon beim Frühstück „Spielen heute die Deutschen?“ fragt. Und ganz ehrlich: Jetzt wird es dann langsam Zeit, dass diese WM der späten Tore wieder vorbei ist. Daheim hat sich ob der 18-Uhr-Spiele eine gewisse Anarchie in den Alltag geschlichen, die uns die hart erarbeitete Zu-Bett-geh-Routine ziemlich über den Haufen geworfen hat. Plötzlich darf das Kind 1.) fernsehen und dabei 2.) sogar auf der Couch Abend essen. Geht das Spiel in die Verlängerung, bleibt das Kind selbstverständlich wach, weil die Mutter nicht im Kinderzimmer „Lieselotte lauert“ vorlesen möchte, wenn möglicherweise im Wohnzimmer zeitgleich ein Elferschießen stattfindet.

Wobei das Kind – so redet man sich das als Elternteil schön – natürlich einige Erkenntnisse aus seiner ersten WM mitnimmt: Es hat zum Beispiel festgestellt, dass Mannschaften gar nicht zweimal hintereinander das gleiche Tor schießen („Schau, jetzt trifft er schon wieder, und der Tormann fällt schon wieder hin“), sondern dass es sich dabei um eine Zeitlupenwiederholung handelt. Dank der WM interessiert sich das Kind für Länder und Fahnen, die es im Lexikon nachgeschlagen und verglichen hat, wobei seine Lieblingsfahnen (Grenada und Vatikanstadt) leider gar nicht teilnehmen. Es hat gelernt, dass man gemeinhin einer Mannschaft die Daumen drückt, und wählt seine Favoriten spontan aus – je nachdem, welche Trikotfarbe und/oder Fahne ihm besser gefällt. So hielt es etwa zu „meinen Gestreiften“ (Argentinien), denen „mit dem großen Stern“ (Chile) und Deutschland (wie alle Buben im Kindergarten). Das Kind weiß nun auch, dass der Tormann freiwillig herumsteht („Wieso darf der nicht laufen, sondern muss immer warten?“). Tatsächlich hat die abendliche Doppel-Conférence von ORF-Kommentator (oder wie das Kind sagt: „Der, der da so viel redet“) und „pausenlos Fragen stellendem Kind“ dazu geführt, dass bei uns daheim zwar ziemlich viele Spiele gelaufen sind, ich aber kaum eines tatsächlich konzentriert sehen konnte. Und anders als der ORF-Mann hat das Kind leider keinen Lautlos-Knopf.

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2014)

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