Die Leiden des jungen Gärtners

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Amerika und Europa trennt vieles, eines ist auf beiden Kontinenten aber gleich: Die Paradeiser aus dem Supermarkt sind zum Vergessen.

So müssen Squashbälle schmecken. Was soll man da machen? In jeder europäischen Stadt kann man sich wenigstens während der Erntesaison kostengünstig versorgen. In den USA dagegen verkauft man Tomaten auf dem „Farmers' Market“ zu Apothekerpreisen. Versagt der Markt, muss man sich selbst helfen. Liebevoll haben wir seit Anfang März zwei Paradeisersetzlinge gehegt, ihnen das sonnigste Platzerl im Vorgarten reserviert, behutsam Kaffeesatz und Brennnesselteereste ins Erdreich einmassiert und garstige Geiztriebe abgezwickt. Der erste Gang frühmorgens führte uns monatelang nicht auf die Toilette, sondern zu den beiden Kübeln, wo wir das Wachsen der grünen Früchte pochenden Herzens bewunderten.

Und dann das: Die erste errötete Tomate, grausam geschändet von – ja, wer hätte das gedacht? Von einem Eichhörnchen. Böse zerbissen und zerkratzt, der Lohn langer Fürsorge von einer Ratte im Pelz gestohlen? Wir haben eine Schwäche für allerlei Getier. Die Liebe zu Puschels Sippschaft ist jedoch erkaltet. Wie hilft man sich? Das Internet schlägt die Imprägnierung der Tomatenstauden mit der synthetischen Nachbildung von Raubtierharn vor, den Erwerb eines Hundes oder das Aufstellen von Fallen (den Schusswaffeneinsatz verbietet nicht nur unsere Friedfertigkeit, sondern das Washingtoner Waffengesetz). Aus verschiedenen Gründen sind diese Lösungen impraktikabel. Also haben wir die Paradeiserstauden in Netze gehüllt. Drei Tage hat es gedauert, dann hat das flauschige Monster auch dieses Hindernis überwunden. Und nun, fragen Sie? Ach, wir nehmen diese gartenbauliche Niederlage als charakterbildende Lektion in Demut vor der Schöpfung. Die Eichhörnchen waren vor uns auf diesem Planeten. Sie werden auch nach uns noch hier sein. Und in der Zwischenzeit haben wir Menschen bloß dafür zu sorgen, dass sie stets frisches Gemüse zum Naschen haben.

E-Mails an:oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2014)

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