Die Austria, die Juden, das Vergessen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Es hat Gründe, wieso es zwischen 1938 und 1945 keine Austria, aber einen SC Ostmark gab.

Vorige Woche wurde ich nach einem Match der Wiener Austria bespuckt und antisemitisch beschimpft – von Austria-Fans. Ich habe mir nämlich auf mein Trikot „C. Jerusalem“ drucken lassen, eine Reverenz an Camillo Jerusalem, einen der besten Stürmer, der je das violette Jersey getragen hat. Er schoss am 13. September 1936 vor 60.000 Zuschauern das Siegtor im Mitropa-Cupfinale gegen Sparta Prag. Auf dem Weg ins Finale hatte er sechsmal getroffen. Dieser Bewerb war die Champions League der 30er Jahre. Nie wieder haben die „Veilchen“ einen so bedeutsamen Titel gewonnen.

Es tut bei der unschönen Episode, aus der mich befreit zu haben ich Martin Schwarzlantner, dem Austria-Fanbetreuer, danken möchte, nichts zur Sache, dass ich ein katholisch erzogener Agnostiker bin und der Erdberger „Karli“ Jerusalem wohl nie einen Tempel von innen gesehen hat. Was mich (neben der Feststellung, dass die Antisemiten wohl nie aussterben) so betrübt, ist die Unkenntnis vieler junger Austrianer über die Geschichte ihres Vereins. Es hat bekanntlich Gründe, wieso es zwischen 1938 und 1945 keine Austria, aber einen SC Ostmark gab. Norbert Lopper, nach ‘45 Vereinssekretär und 1953 Gründer des ersten Fanklubs, dem auch Friedrich Torberg angehörte, hat mit Glück das KZ überlebt, wie er im Juni bei einer Veranstaltung des Fan-Magazins „Ballesterer“ im Wien Museum schüchtern erwähnte. Ganz zu schweigen von Emanuel Schwarz, dem größten Präsidenten, den der Verein je hatte. Seine chirurgischen Künste retteten dem jungen Matthias Sindelar die Sportlerkarriere. Auch Schwarz entkam nur mit Glück dem Holocaust, worüber man sich bis 26. September in einer Ausstellung im Wiener Stadt- und Landesarchiv (Gasometer D, Simmering) informieren kann.

Und als echter Austrianer muss.


oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2008)

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