Drey Amsla zwitschera, der Güller singt kikeriki

FRANCE EU EUROPEAN PARLIAMENT
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Eigentlich sollte ich an dieser Stelle aus dem Brüsseler Maschinenraum Bericht erstatten.

Doch die Reduzierung der EU auf die Feinmechanik ihrer Institutionen erscheint mir etwas zu kurz gegriffen. Daher erlaube ich mir, die kolumnistische Kampfzone auszuweiten und berichte Ihnen jetzt aus Europas Bauchraum – konkret aus dem Winstub Zuem Strissel in Straßburg, wo ich das Rätsel um ein verschwundenes Gemälde lösen konnte.

Das Lokal zählt zu den Höhepunkten der Straßburger EU-Parlamentswoche – und nicht nur mir geht es so, denn angeblich stärken sich hier auch die Abgeordneten der CSU. In der holzgetäfelten Stube wird auf rot-weiß karierten Tischdecken Elsässer Hausmannskost serviert. Beispielsweise die Choucroute garnie oder eine Wurst mit Sauerkraut, die den stolzen Namen Maennerstolz trägt und an die panierte Roulade Jungfrauentraum im Wiener Gasthaus Beograd erinnert. Das Auge isst ja mit.

Apropos Auge: Freude bereiten beim Strissel die vielen Bilder im Gastraum. Eines trägt den Titel „Drey Amsla zwitschera, der Güller singt kikeriki“, doch das Highlight war bisher das Porträt eines garnierten Sauschädels, der den Besuchern vorwurfsvoll in die Teller schaute – ein alter Schinken sozusagen. Damit ist es jetzt allerdings vorbei, denn als ich am Dienstag Platz nahm, war das Bild weg – woraufhin ich bei der Kellnerin eine Recherche startete. Einer der Besitzer habe es nach oben mitgenommen, sagte sie. Woraus ich entnehmen konnte, dass der Strissel erstens mehrere Eigentümer und zweitens ein Obergeschoß hat. Das Schöne an der EU-Berichterstattung ist, dass man immer etwas Neues dazulernt. Beim Hinausgehen stieß ich fast mit dem ehemaligen französischen Finanzminister Pierre Moscovici zusammen. Er würdigte die Bilder keines Blickes und verschwand im Hinterzimmer. Es hätte mich brennend interessiert, mit wem er sich dort getroffen hat. Doch meine investigative Energie war verbraucht. Statt Moscovici ins Séparée zu folgen, machte ich einen Verdauungsspaziergang.

E-Mails an: michael.laczynski@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2014)

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