Aberglaubensfragen

Am Wochenende bin ich auf einen interessanten Artikel in der „New York Times“ gestoßen.

Die Verhaltensforscher Jane L. Risen und A. David Nussbaum von der Booth School of Business der Universität von Chicago berichteten von einem Experiment, bei dem sie eine Versuchsgruppe von Studenten laut bekunden ließen, dass sie im Winter gewiss keinen Autounfall haben würden. Abergläubische Zeitgenossen würden davor warnen, sich die Dinge derart zu verknofeln. Risen und Nussbaum wollten die Entstehung solcher abergläubischer Annahmen testen, weshalb sie eine Kontrollgruppe von Studenten keinen Schwur der Unfallfreiheit ablegen ließen. Dann befragten sie beide Gruppen und befanden: Jene, die ihre Unfallfreiheit beschworen hatten, meinten signifikant öfter, einen Unfall zu erleiden. Sie waren der Ansicht, dass man sein Schicksal mental herausfordern könne. Die zweite Einsicht folgte daraus, dass einige aus der Gruppe der Abergläubischen gebeten wurden, auf den Tisch zu klopfen. Siehe da: Die Holzklopfer waren ebenso wenig der Ansicht, dass ihnen ein Unfall drohe, wie jene, die gar nicht erst ihre Unfehlbarkeit beschworen hatten. Sie hatten sich davon überzeugt, den selbst eingebrockten Fluch gebannt zu haben.

Mir sind solche umnachteten Anwandlungen fremd. Ich würde nie dem Irrglauben anhängen, dass ich unbedingt vor dem Urlaub die Stapel halb gelesener Zeitungen studieren müsse, ehe ich sie wegschmeiße, weil mir sonst eine schicksalhafte Information entgehen würde. Als Kind bin ich beherzt auf die Trennfugen auf dem Trottoir getreten, denn wer würde ernsthaft glauben, dass so etwas Pech bringe? Und dass ich auf diese Verhaltensstudie in der vergilbten Ausgabe vom 4. Oktober 2013 gestoßen bin, von Stapeln halb gelesener Zeitungen umtürmt, die ich unbedingt vor dem Urlaub studieren muss, lässt sich damit erklären, dass mir sonst ja wirklich eine schicksalhafte Information entgehen könnte. So ein Pech könnte kein Sprung über die Trennfugen abwenden.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2015)

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