Soviel lachen, dass einem die Tränen kommen

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Zuerst denkt man sich, was ist denn heute los, aber dann, wenn der erste zum Kudern anfängt, ist alles klar.

Da hat eines der Kinder den Gegenteil-Tag ausgerufen und alle machen geschlossen mit; so eine Einigkeit gibt es in Gruppen sonst nur auf die Frage, ob jemand ein Eis will. (Mit der perfiden Frage nach den gewünschten Sorten kann dann übrigens jede Gruppe gesprengt werden.) Gegenteil-Tag heißt zum Beispiel, extra laut zu sein, wenn um Ruhe gebeten wird. Waas? Ich kann dich nicht hören, zu laut hier, hahaha.

Bei den vielen hitzigen Diskussionen, die gerade geführt werden, wobei, eigentlich geht es das ganze Jahr schon so dahin, hat man auch oft das Gefühl, jemand hat den Gegenteil-Tag ausgerufen. Zwischen gut und böse, zwischen alle raus und alle rein, zwischen Weltkrieg und „mehr-Menschen-sterben-jeden-Tag-im-Straßenverkehr“ wäre viel Platz für Argumente, aber die machen die Sache unnötig unkompliziert.

Also sagst du das, und ich sage das Gegenteil, und dann arbeiten wir uns daran ab, wie unglaublich schwachsinnig das ist, was der andere sagt. Es muss schnell gehen, damit nicht jemand anderer der Erste ist, mit der Tricolore etwa, mit dem super Wortspiel, mit dem Zitat von dem Dings. Es macht müde und wütend, dieses sinnlose Ping-Pong, und es stumpft einen ab.

Gerade gegen Ende eines Jahres, in dem so viel erbittert gestritten wurde, über Griechenland, über Flüchtlinge, über den Islam, über die Politik, scheint es überraschend, dass zum Wort des Jahres gerade ein Lachtränen weinendes Smiley gekürt wurde – angeblich das 2015 meistverwendete Piktogramm. Abgesehen davon, dass ein Bild zwar nicht das Gegenteil, aber doch ziemlich weit weg von einem Wort ist: Gab es so viel zu lachen?

Je schlimmer die Ereignisse, desto mehr Humor, heißt es immer. Vielleicht ist wirklich was dran. Wir müssen so viel lachen, dass uns die Tränen kommen. Aber vielleicht ist auch das Gegenteil davon wahr.

E-Mails an: friederike.leibl-bürger@diepresse.com

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