Sonntags, in der Stille der Wiener Gewerbegebiete

Einsamkeit im Wiener Gewerbegebiet.
Einsamkeit im Wiener Gewerbegebiet.(c) DiePresse/Freitag
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Sicher, man kann sich auch in der Menge wohlfühlen, im Geschiebe und Gedränge der Großstadt, im Dicht-an-Dicht der U-Bahn-Waggons, in all diesen Ballungsraumszenen, in denen sich alles ballt und nichts mehr Raum hat.

Andererseits: Man muss kein notorischer Einzelgänger sein, um sich dann und wann nach ein wenig Einsamkeit zu sehnen, und wen diese Sehnsucht ausgerechnet in einer Millionenmetropole ereilt, und sei es nur eine so kleine Metropole wie Wien, der hat's nicht leicht.

Manch einer sucht sein temporäres Einsiedlerglück in den nahen Wiener Wäldern, doch üblicherweise ist man dort – zumal an Wochenenden – mit dieser Idee bestimmt nicht das, was man doch so gern sein will: endlich allein. Als ideales Refugium für einschlägig Bedürftige dagegen bieten sich ganz andere städtische Gefilde an, jene nämlich, die – so hektisch sie sich auch werktags geben mögen – jeden Sonntag in Regungslosigkeit erstarren: Wiens Gewerbegebiete, diese weitläufige Mischung aus ein- bis zweigeschoßigen Konsumhoffnungen und Handelserwartungen mit riesigen Parkplätzen rundum.

Und wenn wir dann schon einmal außerhalb der Geschäftszeiten da sind, wo wir uns sonst nur während der Geschäftszeiten bewegen, in einer sonntäglichen Gewerbegebietsstille, verschwiegener als die strengste Trappistenklause, dann sollten wir uns fragen, warum wir all die Baumärkte und Elektromärkte und Überhauptundallesmärkte sich über zig Quadratkilometer ausbreiten lassen, während wir unsere Wohnungen zu immer höheren Türmen stapeln; warum wir uns selbst verdichten, unsere Dienstleister in Handel und Gewerbe aber im Flächenverschleudern freie Hand haben; warum uns großzügigste Freiflächen rund um Ladezonen, Laderampen, Lagerhallen wichtiger sind als rund um unser Leben. Und vielleicht wird uns dann auffallen, dass es noch ganz andere Baulandreserven gibt als jene Äcker und Gärtnereien, denen Wien ein spezifisches Gepräge – und ein Gutteil seiner Versorgung mit frischem Obst und Gemüse verdankt.

E-Mails an:wolfgang.freitag@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2016)

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