Die Sache mit der Jause

Jausenbrot mit Extrawurst
Jausenbrot mit Extrawurst(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Jetzt weiß ich ja nicht, wie es bei Ihnen so ist, aber ich bin schon wahnsinnig froh, wenn ich abends nach einem langen Arbeitstag ein vernünftiges Abendessen auf den Tisch stellen kann.

Früher war bestimmt nicht alles besser, aber Jause machen ging so: Ein Leberwurstbrot in Butterbrotpapier wickeln, in die Schultasche tun, Schulbücher drauf, zergatschtes Brot in der Pause essen (oder, später dann im Gymnasium, stattdessen zum Schulbuffet gehen).

Das geht anno 2016 natürlich nicht mehr. Seit Schulbeginn überbieten sich Magazine mit Tipps für die „hippe“ (ja, das steht da so) Schuljause. Etwa, passend zum Herbst, Brote in Drachenform schneiden und aus Paprika Maschen für den Drachenschwanz schnitzen. Und da reden wir bitte vom eher unteren Niveau. Nach oben gibt es praktisch keine Grenze. Ein Heft schlägt Hendlflügerln als Schuljause vor. Jetzt weiß ich ja nicht, wie es bei Ihnen so ist, aber ich bin schon wahnsinnig froh, wenn ich abends nach einem langen Arbeitstag ein vernünftiges Abendessen auf den Tisch stellen kann. Da parallel noch Hühnerfleisch zu marinieren passt, um es Neudeutsch auszudrücken, eher nicht in meine Work-Life-Balance. Ebenso wenig wie „selbst gemachte Mandelbutter“, die man in ein „dekoratives Einwegglas“ gefüllt mitgeben soll. Ernsthaft? Ganz abgesehen davon, dass Gläser sowie abgenagte Hendlknochen bei den Lehrern vielleicht nicht so gut ankommen: Um 6.15 Uhr früh hab ich eher keine Lust, Einweggläser „dekorativ“ zu gestalten.

Dürfte das Kind bestimmen, wäre die Jausenbox in wenigen Sekunden gefüllt: Schokolade, Schokoriegel oder Schokopudding. Das alles, verkündete ich, sei als Jause vollkommen ungeeignet, weil ungesund und nicht erlaubt. Eine Behauptung, die genau bis zum zweiten Schultag hielt, als ein anderes Kind ein Knoppers mithatte. „Ein Knoppers!“, ruft das Kind. „Das erlaubst du nie!“

Richtig. Wir halten bei mit Keksformen zu Blümchen ausgestochenen Gurken. Auf die besteht das Kind, obwohl es sonst nie Gurken isst. „Schmecken dir die doch?“, frage ich. „Nein“, sagt das Kind, „aber der X. Die gibt mir dafür ihren Schokomüsliriegel.“ Noch mehr Spaß, als frühmorgens eine Jause für das eigene Kind zu richten, macht es natürlich, eine Jause für ein fremdes Kind zuzubereiten. Hoffentlich gefallen der X. die süßen Radieschenmäuse, die ich am Montagmorgen schnitzen werde.

E-Mails an:mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2016)

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