Zwentendorf, Waldheim und es wurde richtig laut

Visitors look at ´ The Last Supper´ Leonardo da Vinci´s masterpiece on a refectory wall of the church of Santa Maria delle Grazie in Milan
Visitors look at ´ The Last Supper´ Leonardo da Vinci´s masterpiece on a refectory wall of the church of Santa Maria delle Grazie in Milan(c) REUTERS (STEFANO RELLANDINI)
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Die ersten Schularbeiten, die ersten Erfahrungen mit Prüfungsangst. Was sagt man einem Kind, das nicht schlafen kann, weil es ein komisches Gefühl im Bauch hat?

Die ersten Schularbeiten, die ersten Erfahrungen mit Prüfungsangst. Was sagt man einem Kind, das nicht schlafen kann, weil es ein komisches Gefühl im Bauch hat? Es geht vorüber, glaub's mir bitte. Aber beim nächsten Mal ist sie wahrscheinlich wieder da, die Angst. Nur weiß man dann wenigstens schon, dass sie vorbeigeht. Irgendwann hat man mehr als 200 Schularbeiten und Prüfungen hinter sich, ist erwachsen, hat den Führerschein und ein eigenes Konto, aber die Hände zittern, wenn man vor anderen reden soll. Und man weiß noch immer, wie es sich anfühlt, dieses Gefühl vor der Mathematikschularbeit.

Das ist ja schrecklich, meint das Kind, wenn das nie aufhört. Das Schreckliche ist aber nicht mehr so schrecklich, wenn man es einordnen kann. Und wenn sie immer wieder ohne gröbere Blessuren überstanden wird, dann nimmt man der Angst schön langsam ihre Macht. So, oder so ähnlich, könnte man erklären, was andere Erfahrung nennen. Die einen auch lehrt, dass vieles Wiederholung ist, was sich als neue Bedrohung tarnt.

Die einen sind empört, die anderen beleidigt, so fasst eine Freundin aus Kindheitstagen die Geschehnisse dieses Jahres zusammen. Und was fehlt nie, bei diesen Gesprächen? Dass es noch nie so war. Noch nie war es so feindselig, so laut, so völlig daneben? Erinnerst du dich an den Onkel, der für Zwentendorf stimmte und dann wurden Sesseln geworfen, bei der Familienfeier? Die Waldheim-Diskussion, als beste Freunde monatelang nicht mehr miteinander sprachen? Wir waren noch halbe Kinder, es ging um Leben und Tod, und dass niemand den Fernsehapparat eingeschlagen hat, das gilt bis heute als Wunder. Aber jetzt lachen wir darüber.

Der Humor kommt gerade ein wenig kurz. Es gibt eine bitterböse Satire aus dem Jahr 1995, „Last supper“ von Stacy Title, da geht es um alles, links und rechts, Tod und Moral. Sogar das Wort Establishment kommt vor. Man lacht Tränen, vor allem, weil alles schon einmal da war, wir können uns nur nicht daran erinnern.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2016)

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