Kolumne zum Tag

Die Synchronisierungsfalle

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Bei Filmen und Fernsehserien gibt es ein Phänomen, das nicht gerade für die hohen Ansprüche des europäischen Publikums spricht.

Nennen wir es das „Mordkommission-Istanbul-Phänomen“. Derzeit läuft der Tanzfilm „Heartbeats“ in den Kinos. Er handelt von einer amerikanischen Familie, die gleich zu Beginn nach Indien reist, der Film spielt also zum allergrößten Teil in Mumbai. Interessanterweise sprechen dort alle Englisch – quer durch alle Sozialschichten und Berufsgruppen. Aber wieso? Wir sind doch in Indien.

Nun könnte man argumentieren, dass in Indien Englisch die zweite Amtssprache ist und die meisten die Sprache beherrschen. Und dass in zwei Szenen auch Hindi gesprochen wird. Aber müsste die sprachliche Vielfalt des Landes nicht eine größere Rolle spielen? Bollywood-Filme werden schließlich auch nicht in Englisch gedreht, nicht einmal teilweise – sondern in Hindi oder Variationen davon. Jedenfalls leidet die Glaubwürdigkeit eines Films arg unter dieser sprachlichen Homogenisierung. Wie in der Serie „Mordkommission Istanbul“, in der alle Deutsch reden, obwohl sie in Istanbul leben. Oder in Dutzenden anderen Filmen und Serien, die etwa im Nahen Osten oder in China spielen. Warum lassen wir das mit uns machen? Das ist doch absurd.

Obwohl, eigentlich müsste die Kritik weiter gefasst werden. Denn nicht weniger absurd ist es, synchronisierte Filme zu sehen. Schauspieler, die in einer Kabine versuchen, möglichst lippensynchron anderen Schauspielern nachzusprechen. Wie konnte sich das nur durchsetzen? Die gängigste Erklärung dafür ist, dass Untertitel zu anstrengend sind. Aber das ist nur eine Frage der Gewohnheit. Für Leute, die mit Untertiteln aufgewachsen sind (der gesamte skandinavische oder Beneluxraum etwa), sind wiederum synchronisierte Filme zu anstrengend. So heißt es wohl weiterhin, sich für eins von beiden zu entscheiden. Außer in Amerika. Dort ist das Publikum derart verwöhnt und folglich kompromisslos, dass jeder gute nicht amerikanische Film sofort neu verfilmt wird, damit er ohne Untertitel und ohne Synchronisierung ins Kino kommen kann.

E-Mails an:koeksal.baltaci@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2017)

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