Mein Dienstag

Léopold II., Mobutu und der „Marshallplan“ für Afrika

Der kongolesische Diktators Mobutu Sese Seko.
Der kongolesische Diktators Mobutu Sese Seko.(c) imago/ZUMA/Keystoneeople)
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Vor Jahren fiel mir ein Taschenbuch der früheren Reuters-Korrespondentin Michela Wrong in die Hände.

„In the Footsteps of Mr Kurtz“ ist ihre im Jahr 2000 erschienene Biografie des kongolesischen Diktators Mobutu Sese Seko, ein dicht recherchiertes, packend geschriebenes Werk, das jedem politisch und historisch interessierten Leser empfohlen sei. Wrong hatte Mobutus Sturz in Kinshasa miterlebt, zuvor das Morden in Ruanda bezeugt, sie kennt sich aus.

Dieses Mobutu-Buch verleiht meinem Blick auf Brüssel neue Perspektiven. Denn die Linie der schamlosen Plünderung des rohstoffreichsten Landes Afrikas durch Mobutu und seine Anhänger, die sich auch in Brüssels noblem Vorort Uccle am Château Fond'Roy veranschaulicht, welches Mobutu Anfang der 1970er-Jahre für sich privat erwarb, begann beim belgischen König Léopold II. und dem mörderischen Kolonialregime seines „Freistaats Kongo“. Die Jugendstilpracht Brüssels, die mir beim Flanieren immer wieder ins Auge sticht, wurde oft mit den Einnahmen aus diesem verbrecherischen System finanziert. Mehr noch: Das Hôtel van Eetvelde, ein Prachtpalais von Victor Horta hinter dem Europaviertel, ist, in Wrongs Worten, „purer Kongo“ – vom Tropenholz der Plafonds über den Marmor der Böden bis zum Kupfer, das jede Stufe einfasst, kamen viele Werkstoffe aus der Kolonie.

Im Zusammenhang mit dem Migrationsdruck aus Afrika ist seit einiger Zeit von der Notwendigkeit eines „Marshallplans für Afrika“ die Rede; ich fand diese Analogie zum Wiederaufbau des im Weltkrieg zerstörten Europa immer schon falsch, wer ihr noch immer zuspricht, lese das Kapitel „Dizzy Worms“, in dem Wrong schildert, wie Mobutu fast die gesamte kongolesische Gesellschaft korrumpierte. Mehr Geld aus Europa wird an den verrotteten bürgerlichen Strukturen der afrikanischen Krisenstaaten nichts ändern: Das traurige Beispiel Kongo zeigt das, zwei Jahrzehnte nach Mobutus Sturz, besonders drastisch.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2017)

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