Konservativ liegt voll im Trend

Wohingegen sich in früheren, unbehaglicheren Zeiten der Blick stets „progressiv“ ins Morgen richtete.

Ausgerechnet die ehemals sozialdemokratische Bank Austria wirbt derzeit, wenn auch mit Augenzwinkern, mit dem Slogan „Konservativ liegt voll im Trend“. Und sie liegt damit voll im Trend.

Wobei damit nicht unbedingt der Tanzkurs bei Elmayer, die (unerschwingliche) Villa in Sievering oder der korrekt gebundene Krawattenknoten (by the way: Was wurde eigentlich aus der Krawatte?) gemeint ist.

Dem Schriftsteller Janko Ferk verdanken wir den Hinweis auf eine These des Historikers Philipp Blom, dessen exzellentes Buch „Der taumelnde Kontinent – Europa1900–1914“ über die nervöse Zeitspanne vor dem I.Weltkrieg, in der bereits vieles von dem angelegt war, was ab Mitte des 20.Jahrhunderts die Gesellschaft bestimmen sollte, hierorts bereits vor Monaten entsprechend gewürdigt wurde. „Wir wollen keine Zukunft“, meint Blom, „wir wollen eine Gegenwart, die nicht mehr aufhört.“

Und das ist gut beobachtet. Deswegen liegt das Konservative für den Menschen der Zehnerjahre des 21.Jahrhunderts, egal, welcher politischen Anschauung, auch so im Trend. Wohingegen sich in früheren, unbehaglicheren Jahrzehnten der Blick stets hoffnungsvoll und „progressiv“ ins Morgen richtete, in dem dann endlich alles besser werden würde. Ganze Ideologien bauten darauf auf. Nun ist (fast) alles gut. Zumindest in unseren Breiten.

„Was wir ersehnen von der Zukunft Fernen“, hieß es in ihren Anfangstagen in einem bekannten Poem der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. Im Jahre 2010 brauchen wir von der Zukunft nicht mehr zu ersehnen, höchstens fürchten wir etwas. Am besten soll alles so bleiben, wie es ist. Konservativ liegt eben voll im Trend. Auch, wenn die Bank das möglicherweise ein wenig anders gemeint hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2010)

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