Wir stehen unter Beobachtung

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Anonymität war gestern – wie wir spätestens seit Anonymous fast täglich erfahren. Wir stehen im Internet unter ständiger Beobachtung. Wie im wirklichen Leben.

Mein Samstag

So flüchtig jeder Augenblick ist: Wir hinterlassen Spuren. Nicht nur im Gedächtnis, in den Herzen uns Vertrauter, Angetrauter. Auch jene, die als einsame Wölfe bindungslos umherziehen, hinterlassen Spuren. Ob sie es wollen oder nicht, wenn schon nicht im analogen, dann im digitalen Leben. Anonymität war gestern. Gruppen wie Anonymous führen uns das fast täglich vor Augen. Wir stehen im Internet unter ständiger Beobachtung. Wie im wirklichen Leben. Wie wir immer wieder lernen müssen.

Seminare, Workshops unddergleichenmehr widmen sich diesem und artverwandten Themen: Nach welchen Mechanismen funktioniert „In-der-Welt-Sein“? Wie (und warum eigentlich?) reagiere ich auf andere? Wie (und warum eigentlich nicht?) reagieren andere auf mich? Und reagieren sie tatsächlich auf mich oder reagieren sie nur auf ein (Vor-)Urteil über mich? Wie wirklich ist die Wirklichkeit, würde Paul Watzlawick fragen. Wirklich bewusst wurde das unlängst, man sieht, Seminare, Workshops unddergleichenmehr können doch bewusstseinsverändernde Wirkung entfalten, bei einer – Weinlese. Zwei Wirklichkeiten prallten aufeinander. Hier Arbeitende im Weinberg, dort Spaziergänger. Eine Szene, wie sie den Wirklichkeiten von Disneyland-Mitarbeitern und -besuchern nicht unähnlich war. Während ein Mann mit ernstem Stolz eine Weinbutte vorbei an – man muss es unverblümt sagen – Gaffern trug, versuchte der andere transpirierend und gebeugt unter der Trauben Last das Tempo mitzuhalten. Der andere Mann war ich.

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2011)

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