Gute Geschenke: Stricken für kalte Nächte auf der Straße

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Hunderte Hauben, die für Obdachlose gestrickt wurden, oder Wunschzettel von Obdachlosen, die über ein Wiener Geschäft erfüllt wurden: Soziale Geschenkaktionen, organisiert über Facebook & Co., treffen einen Nerv.

Wien. Gewöhnlich lagern bei We Bandits ganz andere Produkte. Sandqvist-Taschen zum Beispiel. Oder Russenmäntel um fast 500 Euro. In den vergangenen Wochen aber haben sich in dem kleinen Laden in der Wiener Theobaldgasse ganz andere Sachen angesammelt: Zigarettenpackerln, Supermarktgutscheine, Modeschmuck, ein Hundekorb oder Wertkarten mit Handyguthaben. Jene Dinge, die sich Wiener Obdachlose zu Weihnachten gewünscht haben.

40 Wünsche haben Sophie Pollak und ihr We-Bandits-Team heuer über ihren Kooperationspartner, die Vinzirast, gesammelt, über Facebook veröffentlicht und so Schenker gefunden. Bei We Bandits wurden die Geschenke gesammelt, in bemalte Sackerln verpackt, mit Socken, Keksen und Hauben aufgefüllt und diese Woche bei einer gemeinsamen Weihnachtsfeier in der Vinzirast übergeben. Die Schenker waren nicht eingeladen, schließlich, so Pollak, wolle man „die Leute nicht vorführen“. Trotzdem, Schenkungswillige gebe es mehr als genug.

„Wünsche könnten mehr sein“

„Es ist manchmal schwierig, den Leuten zu vermitteln, dass sie sich irgendetwas wünschen dürfen“, erzählt sie. Gar nicht schwierig hingegen war es, die Kunden des schicken Ladens zum Schenken zu bringen. „Im Gegenteil, viele waren eher enttäuscht, dass die Wunschzettel so schnell weg waren.“ Nun überlegt sie, im nächsten Advent mit weiteren Notschlafstellen zu kooperieren, schließlich hätten „mindestens 100“ Wünsche erfüllt werden können. Gerade im Advent werden solche Aktionen auf Facebook mehr. Von der privaten Versteigerung eines von Kindern bemalten Tellers, die ein Grazer zugunsten der Aktion „Von Mensch zu Mensch“ organisiert hat, bis zur Aktion der Kindernothilfe, bei der Schafe oder sauberes Trinkwasser verschenkt werden können.

Und diese Social-Media-Aktionen treffen offenbar einen Nerv. So ist auch Monika Bichl noch immer überrascht, wie viele Hauben für Obdachlose sie mit ihrer Aktion „Hans im Glück“ organisieren konnte. Schließlich begann diese mit einer simplen Idee, die entstand, als die Oberösterreicherin im Oktober um vier Uhr früh einen Obdachlosen sah, der mit nackten Füßen vor einem Hotel schlief. „Ich dachte: ,Was kann ich tun?‘ Ich kann Socken stricken. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass man, wenn man persönlich etwas anbietet, oft zurückgewiesen wird. Die Leute schämen sich, können nichts annehmen.“

Also startet sie die Facebook-Aktion „Hans im Glück – Stricken für Obdachlose“, kontaktiert Einrichtungen in ganz Österreich, fragt nach deren Bedarf, bittet Wollgeschäfte um Mithilfe. Gezählt hat sie nicht, aber in wenigen Wochen sind „mit Sicherheit ein paar hundert“ Hauben gestrickt worden, die in Geschäften (die für gestrickte Hauben einen Rabatt auf Wolle von fünf oder zehn Prozent gewähren) oder direkt bei den Einrichtungen abgegeben wurden. Das Netzwerk ist rasant gewachsen, dabei sind etwa Wollcafé Laniato, Strickwerk oder Wollsalon Sunshine Loop. Abgegeben werden können Hauben, Schals, Socken oder Pullover auch bei den Partnerorganisationen, die ihren Bedarf regelmäßig über die „Hans im Glück“-Seite veröffentlichen. Noch, so Monika Bichl, sei die Rückmeldung stets „Wir brauchen, wir brauchen...“ Schließlich will sie nicht unbrauchbare „Geschenke“ organisieren.

Ein Problem, über das manch eine Sozialeinrichtung gerade vor Weihnachten klagt. Wahllos abgegebene, zum Teil kaputte oder verdreckte Spielsachen. Unbrauchbare alte Kleider oder alter Hausrat, entsorgt als „Geschenk“. Das sollen Aktionen, bei denen Bedarf und Wünsche konkret erfragt werden, verhindern.

Ganz neu sind die Social-Media-Aktionen freilich nicht. Die Caritas organisiert seit Jahren unter anderem über soziale Medien die Aktion Christkindlbrief, bei der heuer 6000 Menschen, die in Caritas-Einrichtungen leben, Wünsche aufgeschrieben haben. Diese Briefe wurden an freiwillige Schenker weitervermittelt. Sie sind heuer bereits seit Wochen aufgebraucht, und auch über eine zweite Aktion sammelt die Caritas einige hundert Geschenke: Esel für Frauen in Äthiopien, eine Schuljause für Kinder im Sudan oder Heizkostenzuschüsse. Martina Doppler von der Caritas nennt die Aktion „Schenken mit Sinn“ eine „große Erfolgsgeschichte“, die Geschenke – sie lassen sich durch ein T-Shirt mit der Aufschrift „Mein Esel lebt in Afrika“ symbolisch weiterverschenken – werden jedes Jahr mehr.

Weihnachten ist nicht das Ende

Monika Bichl will die Hilfsbereitschaft der Vorweihnachtszeit nun über Weihnachten hinaus nutzen. Das Stricken läuft noch bis Anfang Jänner, darüber hinaus plant sie eine Onlineplattform, auf der Organisationen Bedarf aller Art veröffentlichen können und Freiwillige ihre Hilfe – auch eine Stunde Arbeit, kostenlose Beratung oder medizinische Betreuung – anbieten können. Und auch in der Theobaldgasse endet das Projekt nicht mit Weihnachten. So hat zum Beispiel jemand „Deutsch Unterricht“ auf seinen Wunschzettel geschrieben. Daraus, so Pollak, seien mittlerweile drei Deutsch-Lerngruppen entstanden, die auch nach Weihnachten weitermachen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2013)

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