Stadtbiotop: Der etwas andere Weihnachtsmarkt

Archivbild: Das „Stadtbiotop“ beim neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien
Archivbild: Das „Stadtbiotop“ beim neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien(c) Stadtbiotop
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Der Weihnachtsmarkt im Stadtbiotop bietet eine frische Alternative zu herkömmlichen Christkindlmärkten – einzig die Kunden fehlen noch.

Wien. Weihnachtliche Puristen hätten hier wahrlich eine Freude. Nichts ist zu sehen von überladen dekorierten Holzhütten, von Weihnachtsfiguren, Christbäumen oder glitzernden Kugeln. Stattdessen stechen die klaren Kanten weißer und blauer Frachtcontainer ins Auge. Manche sind kaum zwei Kubikmeter groß. Andere gleichen in ihren Dimensionen kleinen Lastwägen. Sie haben sogar integrierte Schaufenster. Statt „Jingle Bells“ ertönt Techno-Musik aus den Lautsprechern.

„Der etwas andere Weihnachtsmarkt“ im „Stadtbiotop“ gegenüber dem Campus der Wirtschaftsuniversität Wien im 2. Bezirk macht seinem Namen alle Ehre. Selbst die Umgebung lässt kaum vorweihnachtliche Stimmung aufkommen: Auf der einen Seite der futuristische WU-Komplex, auf der anderen Seite brachliegendes Bauland. Alleine künstliche Tannengirlanden und Lichterketten an den Containern signalisieren, dass es sich hier um einen Adventmarkt handelt. Nur gelegentlich schlendern im Nieselregen Leute vorbei.

Ein Besucheransturm wie auf den Christkindlmarkt des Wiener Rathausplatzes ist hier nicht zu erwarten. Rund drei Millionen Menschen lockt der „Adventzauber“ vor dem Rathaus jedes Jahr an. Wie der Initiator des Stadtbiotops, Clemens Hromatka erklärt, besuchten seinen Weihnachtsmarkt täglich an die 100 Personen. „Wir wollen und können uns nicht mit herkömmlichen Christkindlmärkten vergleichen. Natürlich würde ich mich freuen, wenn wir die gleichen Besucherzahlen erreichen, aber es ist nicht realistisch“, schildert er. Die Lage sei nicht zentral genug. Zu wenige Leute wüssten davon.

Leere Kassen

Diesen Mai hat der 31-Jährige das Stadtbiotop ins Leben gerufen. Bei dem Konzept handelt es sich um ein Pop-up Einkaufszentrum. Geschäfte und Gastronomie sind in Containern angesiedelt. Dadurch entstehe die nötige Flexibilität für einen Ortswechsel: Die Kuben können leicht abgebaut und transportiert werden. Im Normalbetrieb beherbergt das Stadtbiotop Container mit bekannten Modelabels und ein Tiki-Zelt, das gastronomisch genutzt wird. Bis nächstes Frühjahr kann hier gegessen, getrunken und eingekauft werden. Dann sollen die Container umgesiedelt und auf dem Areal neben der Krieauer Trabrennbahn Büro- und Wohngebäude entstehen.

Der Adventmarkt findet heuer zum ersten Mal statt – bis 23. Dezember. Er nimmt nur einen Teil der 1000 Quadratmeter großen Fläche des Stadtbiotops ein. Ein alternativer Weihnachtsmarkt mit Fokus auf Mode und Lifestyle sollte geschaffen werden. „Das Konzept dahinter ist es, nicht kitschig zu sein – obwohl ein gewisses Grundmaß schon sein muss“, scherzt Hromatka und deutet auf die wenigen Girlanden. Die Container können tage- oder wochenweise gemietet werden. Eine Woche kostet 150 Euro. Derzeit nehmen vier Aussteller am Weihnachtsmarkt teil.

In einer der Boxen sitzt eng aneinander geschmiegt ein junges Paar. Bilddrucke an den Wänden, Buttons und Postkarten in den verschiedensten Designs leuchten farbenfroh ins Freie. Seit Montag stellen sie hier ihre Drucke aus, erklärt Calvin Brandtner. Bis jetzt habe noch niemand ihren Stand betreten. „Wir haben uns das anders vorgestellt. Das Konzept hat sehr vielversprechend geklungen, aber es kommen fast keine Leute vorbei. Im Moment sind wir im Minus“, fügt seine Freundin, Petra Holländer, hinzu.

Mittlerweile haben sich Kunden am Punschcontainer der Hochschülerschaft eingefunden. Genüsslich schlürfen sie selbstgemachten Orangenpunsch. Nach einem Rezept, wie es Rudolf Kirchschläger früher bei Staatsempfängen serviert hat, erklärt Markus Rajtora. Er steht alleine an der Bar. Ein künstlicher Christbaum und  Stoff-Weihnachtsmänner hinter ihm geben seinem Stand etwas Heimeliges.

Schnellster Weg zum Alkohol

Ursprünglich war angedacht, den Punsch jeden Tag im Vorhinein zuzubereiten. Eine Hilfskraft sollte die Getränke später ausschenken. Aufgrund der wenigen Marktbesucher könne er sich aber keinen Angestellten leisten. „Es ist echt schade, dass so wenige Leute kommen, weil sich alle so bemühen. Es wurde sogar dieses Wochenende in ein paar Zeitungen über den Weihnachtsmarkt berichtet“, meint Rajtora verständnislos. Ihm gefällt die Grundidee am Stadtbiotop, unbebaute Stadtflächen zu nutzen. Dabei sei der Markt Freitagabend oder am Wochenende besser besucht.

Paradoxerweise tummeln sich bei einem Punschstand gleich auf der anderen Straßenseite dutzende Menschen. Eine junge Kundin am Punschcontainer ergreift das Wort: „Das ist doch klar. Der Stand dort, ist gleich am WU-Campus. Studenten wollen nach ihren Kursen einfach auf dem schnellsten Weg zum nächsten Alkohol kommen!“

( Die Presse Lehrredaktion 2014)

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