Regenbogen-Adventmarkt: Pink ist das neue Rot-Gold

Archivbild: Philipp Dirnberger von der Aids Hilfe Wien und Schauspieler und Moderator Alfons Haider beim
Archivbild: Philipp Dirnberger von der Aids Hilfe Wien und Schauspieler und Moderator Alfons Haider beim "Pink Christmas in Vienna".Aids Hilfe Wien
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Auf dem Wiener Naschmarkt gastiert diesen Dezember erstmalig „Pink Christmas“. Dessen Standler fordern mehr Toleranz für HIV-Positive und Homosexualität.

Wien. Der Naschmarkt ist in feine, graue Regenschleier gehüllt. Doch aus der winterlichen Tristesse leuchtet einem ein Hort pinker Fröhlichkeit entgegen. „Welcome to Pink Christmas“ steht auf einem riesigen Portal nahe der U4-Station Kettenbrückengasse. Prince und Wir sind Helden klingen einem schon von Weitem entgegen. Von 1. bis 31. Dezember hat Wiens erster Regenbogen-Adventmarkt seine Tore geöffnet. Das Motto: „Queer, pink and proud“. Ein Novum im behüteten Wien, das in anderen europäischen Städten längst Gang und Gäbe ist.

„Die Idee ist in der U-Bahn geboren“, sagt Organisator Christian Wallner lachend. Er ist federführend bei den zwei karitativen Wiener Vereinen Sternencamps und Positiver Dialog tätig. Deren Ziel ist die Reintegration teils HIV-positiver Menschen. Die Idee des etwas anderen Adventmarkts kam ihm bereits im August. Was  folgte, war eine lange Odyssee durch insgesamt 16 Wiener Magistratsabteilungen. Gerade rechtzeitig zum Start von „Pink Christmas“ kam das endgültige OK.

So erstrahlen am Naschmarkt seit vergangenem Montag 45 Hütten in pink-blauer Pracht. Rot-goldener Lamettabehang war gestern. „Vor zehn Jahren hätt's das nicht gegeben.“, meint Wallner. „Aber heute leben wir nicht mehr im Ghetto mit zwei, drei Schwulenlokalen. Die Gesellschaft ist so offen, dass man sich nicht verstecken muss.“ So gaben sich am voll besuchten Eröffnungsabend sowohl Schirmherrin und Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) als auch Moderator Alfons Haider und Dragqueen Tamara Mascara ein Stelldichein auf der Open-Air-Bühne. Die Reden wurden vor einer überlebensgroßen Aids-Schleife gehalten. Der erste Dezember ist schließlich nicht nur der meteorologische Winterbeginn, sondern auch Welt-AIDS-Tag. Ein glücklicher Zufall für die Veranstalter des pinken Adventszaubers.

Viele der insgesamt 62 Standler – einige betreiben Gemeinschaftsstände (ein weiteres Novum in Wien) – sind laut Organisator Wallner selbst homosexuell. „Das war aber natürlich keine Auflage“, beeilt er sich zu betonen. Zwischen den karitativen Ständen wie dem der AIDS-Hilfe ist die Dichte an Szene-Lokalen aber deutlich spürbar.

„Wir können traditionell sein“

Auch die Szene-Bar Village ist mit einem Stand vertreten. Dort schenkt Barkeeper Daniel C. in der Adventzeit statt Cocktails Weißen Glühwein mit Chai aus. „Der Markt setzt ein Zeichen, fast mehr noch als die Regenbogenparade. Denn er zeigt: auch wir können traditionell sein“, sagt er bestimmt. Tradition gelte schließlich für alle, nicht nur die 3-Kopf-Familie mit Haus, Hund und Auto. Daniel weiß als ehemaliger AIDS-Hilfe-Mitarbeiter um die Klischees. Irrationale Ängste der österreichischen Bevölkerung gegenüber dem „Schwulenkrebs“ seien seiner Meinung nach zwar großteils überwunden. Die Aufklärungs- und Toleranzarbeit aber noch lange nicht beendet.

Gleich nebenan verkauft AIDS-Hilfe-Mitarbeiterin Christina Stöbich Lebkuchen mit Aufschriften wie „Dramaqueen“ und „Play Safe“. Besucher dürfen sich Kondome von den Dekotannenzweigen pflücken. Der Reinerlös des Standes – wie auch der von vier weiteren auf dem pinken Markt – kommt der jeweiligen karitativen Einrichtung zugute. „Ein bissl Regenbogen-Christmas-Markt hat's in Wien schon gebraucht“, findet Stöbich. Der Standort dafür ist perfekt gewählt – im Herzen der Schwulenszene des 5. und 6. Bezirks. Das sei wohl nicht zuletzt Wiens erstem offen bekennend schwulem Bezirksvorsteher Markus Rumelhart zu verdanken, meint Stöbich. Er ist seit letztem März in Mariahilf im Amt. Ein weiterer Faktor lässt Stöbich aufatmen: „Hier gibt's keine typische Last-Christmas-mäßige Weihnachtsmusik.“ Für die angenehme Abwechslung sorgen DJs aus bekannten Wiener Clubs – gratis für den guten Zweck versteht sich. 

Toleranzlehre

Petra Kirchner steht ehrenamtlich für Pink Christmas hinter ihrem Verkaufsstand. Dort bieten mehrere Produzenten gemeinschaftlich Käse, Seifen und Marmelade an. Als Praktikantin von Wallners Verein Sternencamps war sie von Anfang in die Organisation des Markts eingebunden. „Ich war so stolz am ersten Tag. Bei der Eröffnungsfeier sind mir richtig die Tränen in den Augen gestanden.“ Neben dem angenehmen Gefühl, sich vielmehr in einer Disco mit wechselndem DJ-Lineup als auf einem Christkindlmarkt zu befinden, lobt sie vor allem die vermittelte Toleranz. Auch ihre eigene Toleranzschwelle habe sich erhöht. „Das sind hier einfach die besten Menschen, ich hab' ein anderes Bild von der Szene gekriegt“, sagt Kirchner.

(Die Presse Lehrredaktion 2014)

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