RS6 Avant: Donnergrollen in Audis Parallelwelt

(c) Hombauer Matthias
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Ein Racer im Zuschnitt eines Kombis: Das ist der Humor des Audi RS6 Avant.

„Dieses Auto hätte ich mir von Ihnen erwartet“, ließ Volkswagen-CEO Martin Winterkorn in seiner Neujahrsansprache die Entwickler der Konzernmarke Audi wissen. Ein harscher Tadel – auch, weil der Chef die längste Zeit nicht gerade als Verfechter des elektrischen Antriebs gegolten hat. Die Rede war vom Tesla Model S, dem US-Elektroauto, das überall für Furore sorgt. Ein elitärer Ansatz, aber zweifellos ein höchst progressives Konzept – tatsächlich hätte ein solches Modell der deutschen Premium-Marke, die stets um ihr innovatives Image bedacht ist, gut angestanden.

In der Parallelwelt

Audis Elektroprojekte führten aber nirgendwo hin, ein Vorstand musste deswegen den Hut nehmen. Man verlegt sich vorerst auf Plug-in-Hybride, den Start macht der A3 Sportback in diesem Sommer, und im Hintergrund bereitet man einen Paukenschlag in Sachen Brennstoffzelle vor.

In der dunklen Parallelwelt der RS-Modelle, in der Lautlosigkeit bestimmt kein Wert ist, eher schon das Donnergrollen aus mächtigen Auspuffanlagen, zeigt sich Audi ungleich besser gesattelt. Starke Audis gibt es seit den Achtzigern, als Ferdinand Piëch dort das Ruder übernommen hat. Der heiligmäßig verehrte Audi quattro sei genannt, und der Audi V8, dem 1988 noch 250PS reichten, um richtig Eindruck zu schinden.

Was M für BMW und AMG für Mercedes ist, spielt heute die relativ junge S- und RS-Linie bei Audi. Umso energischer, muss man sagen, denn der letzte RS6 von 2008 stach mit seinen 580PS selbst aus dem PS-Rüsten der deutschen Premium-Marken hervor. Dass der frische Jahrgang sich mit 560 PS bescheidet, ist ein unbedeutendes Zahlenspiel, denn der Motor schiebt ungleich brutaler an, und das Auto ist in allen Disziplinen teilweise deutlich schneller als sein Vorgänger. Und sparsamer.

Es gibt Zugeständnisse an die Neuzeit mit ihrem strengen Blick auf Verbrauchswerte. Mit dem alten V10, von Tochter Lamborghini geborgt, wurde eine schaurig-schöne Motorendelikatesse (Dodge Viper, BMW M5, Porsche Carrera GT, Lamborghini Gallardo, Lexus LF-A) ausgemustert, stattdessen ringt nun ein V8 mit vier Litern Hubraum, Biturbo und Zylinderabschaltung um Contenance. Mit zusätzlichen elektronischen Kniffen bringt man tatsächlich auch ein Zwei-Tonnen-Supercar auf unter zehn Liter Normverbrauch. Für den schnellsten Kombi der Welt durchaus eine Ansage.

Kein RS6-Besitzer freilich wird seinen Händler anrufen und jammern, dass er die 9,8Liter nicht biegt. Man wird sich daran erfreuen, dass sich der Alltag mit vertretbaren zwölf bis 13 Litern bestreiten lässt. Wer auf der Nordschleife die acht Minuten in Angriff nimmt (die sind nachweislich drin), wird sich das Dreifache gern gefallen lassen.

Die Mischung aus unverdächtigem Kombi und entfesseltem Racer macht den Witz, ja Humor des RS6 aus. Man erkennt natürlich, dass da kein Vertreter-A6 im Anrollen ist, der viele Schmuck aus Karbonaccessoires und 20-Zoll-Felgen verfehlen ihre Wirkung nicht. Für Fans auf der Straße hat das RS-Signet sowieso höchste Leuchtkraft.

So gehört einem ein solches Auto offenbar auch nicht allein. Wir wurden einmal so rüde eingebremst, dass wir nur mit einem wuchtigen Überholmanöver antworten konnten – der Bremser hatte da schon die Fenster geöffnet, es war ihm nur um einen Soundcheck gegangen. Bitte sehr.

Der permanente Allradantrieb kennt keinerlei Unsicherheiten bei Raketenstarts oder Sprinteinlagen, mit denen der RS6-Fahrer seinen Alltag zu würzen weiß, selbst mit Familie an Bord. Mitfahrer werden nur auf schlechten Straßen schnell rebellisch, denn straff muss das Fahrwerk sein. Schnell ist die Fuhre Fliehkräften ausgesetzt, die allen fest am Nacken zerren. Das muss man schon mögen, irgendwie. (tiv)

ZAHLEN UND FAKTEN

Audi RS6 Avant

Maße: L/B/H: 4979/1936/1461 mm. Radstand: 2915 mm. Leergewicht: 2010kg. Ladevolumen: 565 l.

Motor: V8-Zylinder-Otto, Biturbo, 3993ccm. Leistung max.: 412 kW (560 PS) bei 5700–6600/min, 700 Nm bei 1750–5500/min. 0–100 km/h in 3,9 sec. CO2: 229 g/km lt. Norm. Testverbrauch: 12,4 l/100 km. Allrad, 8-Gang-Automatik. Preis: ab 134.130 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2014)

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