Abgasnorm: Diesel und die halbe Wahrheit

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Dieselmotoren sind sparsam, aber nicht sauber. Daran ändert auch die Euro-5-Norm, die am 1. September in Kraft tritt, wenig. In Österreich droht Zores mit der Luftgüte.

Angesichts der Werbung könnte man derzeit den Eindruck gewinnen, neue Autos würden nicht nur sämtliche Eisbären auf allen Eisschollen retten, sondern gleich die ganze Umwelt mit dazu. Mit blauem Himmel und grünen Blättern wird geworben. Ganz speziell Dieselautos sind behände ins grüne Mäntelchen geschlüpft. Man muss zwangsläufig den Eindruck bekommen: Nur Dieselfahrer sind verantwortungsbewusst. Doch Tatsache ist: Dieselmotoren verbrauchen bauartbedingt weniger Treibstoff als Benzinmotoren – ihr Abgasverhalten ist allerdings deutlich schlechter als das von Ottomotoren.

Es sind nicht nur die Rußfahnen – immer noch sein Markenzeichen –, die auf unseren Straßen ebenso allgegenwärtig wie unerfreulich sind. Es sind Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxid (NO2), die ein zunehmendes Problem darstellen. Das giftige NO2 schädigt die Atemwege direkt und unmittelbar und gehört (anders als Feinstaub) dem Diesel allein.

Wie kommt es also zum grünen Image?
Es liegt an der Vermengung zweier Begriffe im Rahmen der Klimadiskussion. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht Kohlendioxid (CO2). Das entsteht bei jeder Form von Verbrennung, wir atmen es selbst aus. Es verstärkt den Treibhauseffekt.

Luftgüte aus dem Blick verloren

Doch um einen Luftschadstoff handelt es sich dabei nicht. Und das sollte seine Bedeutung relativieren: Weniger CO2-Ausstoß ist klimatechnisch zwar das Gebot der Stunde, doch die Luft, die wir atmen, sollten wir auch nicht aus dem Blick verlieren.
Doch genau das ist geschehen. Bei den Immissionen (das ist der Zustand der Luft, wie ihn Messstationen erfassen) klettern die NO2-Werte seit mehr als zehn Jahren wieder in die Höhe. An vielen Messpunkten werden die Grenzwerte bereits um mehr als das Doppelte überschritten, Tendenz: eindeutig steigend. Ursache ist der stark zunehmende Dieselanteil auf unseren Straßen.

Die Euro-5-Norm für Pkw, die am 1. September in Kraft tritt (betroffen sind Autos, die Hersteller neu auf den Markt bringen), bleibt die Antwort schuldig. NO2 wird von ihr isoliert gar nicht erfasst. Dieser Schadstoff ist in der Sammelgruppe NOx (für Stickoxide) untergebracht. Nicht nur, dass Diesel hierbei einen vielfach höheren Grenzwert genießen als Benziner (sonst würden sie auch gar nicht zum Verkehr zugelassen, wie das etwa in den USA und Japan der Fall ist). Der Anteil von NO2 am NOx nimmt seit Jahren auch noch dramatisch zu. Und zwar umso stärker, je mehr Autos auf absolute Sparsamkeit getrimmt sind. Anders gesagt: Je toller (also geringer) der Verbrauch und je erfreulicher der daraus resultierende CO2-Wert (das ist der fürs Weltklima), desto düsterer sieht es für unsere Atemluft aus.

Technisch wäre das Problem lösbar. Doch fehlt der Druck auf die Hersteller: Solange die Euro-Normen erfüllt werden, besteht kaum Anlass für teures Aufrüsten. In „Low Emission“-Zonen wie Kalifornien, die konkret und entschlossen auf eine Zero-Emission-Zukunft hinarbeiten, werden schon heute die saubersten Autos der Welt zu konkurrenzfähigen Preisen angeboten. Das hat die Politik so angeschafft, anders als bei uns. Hier fördert der Staat den Dieselabsatz nach Kräften: über die Mineralölsteuer, die für Diesel niedriger ist als für Benzin, über die Kfz-Steuer und über Förderungen für besonders verbrauchsarme Pkw – vornehmlich Diesel, die bei den Schadstoffen aber um ein Vielfaches über vergleichbaren Benzinern liegen. Der ebenso saubere wie sparsame Hybridantrieb (Elektro- mit Benzinmotor) wird in Europa bislang nur von wenigen Herstellern angeboten.

Wie es um unsere Atemluft bestellt ist, mag nicht jeden in gleichem Maße interessieren. Der Zeitpunkt, zu dem das Thema aber für alle brisant wird, rückt unerbittlich näher. Im Jahr 2010 wird eine EU-Richtlinie gesetzeswirksam, die es Bürgern ermöglicht, die Einhaltung der Grenzwerte für Luftschadstoffe (allen voran NO2 und Feinstaub) einzuklagen – in Österreich beim jeweiligen Landeshauptmann.

Das sind nur bedingt gute Nachrichten. Denn die einzige Möglichkeit, die im ganzen Land überschrittenen NO2-Grenzwerte einigermaßen in den Griff zu bekommen, ist Mengenregulierung. Sprich: zusätzliche Tempolimits, Zufahrtsbeschränkungen, Fahrverbote. Zwei Jahre später, 2012, tritt bei uns ein freiwilliger, noch strengerer Grenzwert als jener der EU in Kraft. Wir werden leichter ein Nulldefizit beim Budget erreichen als diese Werte.

Österreich war als Kat-Pionier einst europaweiter Vorreiter bei der Luftreinhaltung. Nun gehören wir als Dieselweltmeister zu den Ländern mit den größten Luftproblemen in der EU. Vielleicht sollte man überlegen, ob man Autos, die diese Probleme maßgeblich verursachen, weiterhin irreführend als „grün“ verkaufen darf. Dass sie ganz besonders sparsam sind, ist zweifellos erfreulich, vor allem für den Autofahrer an der Zapfsäule. Es ist aber nur die halbe Wahrheit. (tv)

("Die Presse" Printausgabe vom 28. August 2009)

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