Dacia Duster: Wiederentdeckung des guten alten Autos

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Mit dem soliden Duster widersetzt sich Dacia einmal mehr der Spirale, die Autos immer schwerer, stärker, komplizierter und (daher) teurer macht. Die Schattenseiten des Billigautos sind überschaubar.

Lässt man rumänische Folklore einmal beiseite, ist Dacia eine französische Marke. Ingenieure des Mutterkonzerns Renault, der Dacia 1999 übernommen hat, entwerfen die Autos, Renault-Designer zeichnen sie; vom Band laufen sie dann eben im Stammwerk Piteşti, Rumänien (aber auch im Iran, in Russland, Indien, Südamerika). Ganz im Gegensatz zu Škoda hatte Dacia nie eine eigenständige, geschweige denn ruhmreiche Identität als Autobauer, man hat sich seit der Gründung im Jahr 1966 auf Lizenzbauten (hauptsächlich von Renault-Patenten) verlegt.

Und erstaunlicherweise läuft Renault gerade bei seiner Billigmarkentochter zur Höchstform auf. Das Format des simplen, robusten und betont funktionellen Autos liegt den Franzosen. Besser jedenfalls als das Genre der Oberklasse, in das man in den letzten zwei Jahrzehnten eigentlich nur Flops entsandte und aus dem man sich mittlerweile ganz verabschiedet hat. Dieses Spielfeld hat man den Deutschen überlassen, die wiederum Autos wie den Duster nicht zuwege bringen: vergleichbar Simples, billig Hergestelltes und dennoch Solides ist auch von einem Massenhersteller wie Volkswagen (der mit Phaeton und Touareg dafür schon die Oberklasse besetzt) nicht zu bekommen.

Wie sehr das Herz von Renault in den billigen Autos von Dacia schlägt, beweist der Umstand, dass der neue Duster in großen Teilen des Weltmarkts gleich als Renault ins Rennen geschickt wird. Man ist stolz auf die erfolgreiche Tochter, die ursprünglich ganz auf Wachstumsmärkte in Schwellenländern ausgerichtet war. Das Neuwagenglück zum Gebrauchtwagenpreis erwies sich aber überraschend auch bei uns als Renner, dabei hatte man in Österreich vor fünf Jahren gezögert, überhaupt an den Start zu gehen. Praktisch aus dem Nichts, ohne Werbeetats und mit nur zwei Baureihen, etablierte sich Deutschland als größter Einzelmarkt für Dacia. Die nächste schlechte Nachricht für Hausmacht VW überbringt der Duster.

Zwangsläufig ein SUV

Dacias dritte Baureihe musste zwangsläufig ein SUV werden. Nicht (nur) den billigsten Preis verspricht die Marke, sondern das beste Preis-zu-Platz-Verhältnis, da ist bei Klein- oder Kleinstwagen nicht viel Staat zu machen. Der Duster nutzt seine knapp über 4,3 Meter Länge zur maximalen Raumausnutzung, davon ausgehend, dass auch die zweite Reihe gern belegt wird. Eine derart respektable Kniefreiheit im Fond ist uns jedenfalls schon länger nicht untergekommen. Die Sitzposition ist SUV-typisch erhöht, ohne dass der Duster zu viel Luft in den Radkästen hätte. Den Offroad-Anspruch, von der robusten (und übrigens sehr gelungenen) Optik abgesehen, erhebt die Verfügbarkeit von Allradantrieb. Die Technik stammt von Konzerntochter Nissan; zusammen mit der ordentlichen Bodenfreiheit und dem kurz übersetzten ersten Gang, der eine Kriechfunktion übernimmt, bewältigten wir in der 4x4-Variante gewagte Offroad-Ausflüge.

Das große Thema ist aber die Auslegung des Fahrwerks, das für Straßen geschaffen scheint, wie man sie beileibe nicht nur aus Rumänien und Marokko kennt (die beiden Länder mit der weltweit höchsten Dacia-Dichte). In den Genuss kommt man auch in der Variante mit Frontantrieb: Querfugen und kleine Schlaglöcher arbeitet der Duster auf, ohne die Passagiere zu behelligen, über gröbere Fahrbahnnarben schwingt er so gelassen hinweg, wie man es früher bei französischen Autos geschätzt hat. Selbst auf hurtig durchpflügten Geröllpisten (wir hatten bei Testfahrten die Gelegenheit) schlug die Federung kein einziges Mal durch. Ein Komforterlebnis, das zudem durch kein Schaukeln oder Wanken in Kurven gemindert wird (geradezu ein Meisterstück, wenn man bedenkt, was für ein auf Straßen wie im Gelände untaugliches Auto der Renault Scénic 4x4 war).

Durch sein niedriges Gewicht ist das Auto schon mit 85, erst recht mit 105 PS (der Benziner, unser Favorit) spritzig zu fahren. Moderate Trinkmanieren gelingen ohne Hightechmaßnahmen. Wie schon Logan und Sandero gefällt der Duster durch seine geradlinige Anmutung, immer das beruhigende Gefühl hervorrufend, man könnte notfalls mit einer Handvoll Werkzeug alles selbst reparieren. Nicht zuletzt kann nicht kaputtgehen, was es nicht gibt.

Und da gäbe es so manches. ESP ist nur für die Top-Motorisierung (gegen Aufpreis) zu haben, der kleine Diesel hat keinen Partikelfilter, bei allen Motoren nutzt Renault das letzte Schlupfloch für Euro-4-Standard, beim Crashtest rechnet man mit nur drei von fünf Sternen. Ganz ohne Schattenseiten ist der Kampfpreis dann doch nicht zu haben.

AUF EINEN BLICK

Dacia Duster Vergessene Autotugenden: solide, simpel, leistbar.

Abmessungen Länge/Breite/Höhe 4315/1822/1625 mm, Radstand 2673 mm. Gewicht ab 1160 kg.

Motoren, Preise Benzin 1.6 16V (105 PS), 11.990 Euro (4x4: 14.990 Euro); Diesel 85/110 PS ab14.190/ 16.290 Euro (4x4: ab 18.190 Euro).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2010)

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